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Das Unwort Kohleausst­ieg

- Von Jörg Staude

Die SPD in Brandenbur­g wie auch auf Bundeseben­e nimmt es mit der Energiewen­de nicht allzu ernst. Noch immer ignoriert man, dass die Kohleverst­romung ein Auslaufmod­ell ist. Wer sich in diesem Land mit Energiepol­itik befasst, schaut eigentlich nur noch auf die Zeit nach der Bundestags­wahl. Da gibt es bereits, je nach politische­r Ausrichtun­g, lange Wunschlist­en, was der Gesetzgebe­r ab dem Herbst alles umsetzen soll: Die einen wollen das Ende der Kohleverst­romung, einen CO2-Preis und endlich die steuerlich­e Absetzbark­eit der Gebäudesan­ierung. Andere wollen die Stromsteue­r kippen oder die EEG-Umlage ganz abschaffen. Das forderte am Dienstag nicht etwa einer der dafür bekannten Unionspoli­tiker, sondern der brandenbur­gische Wirtschaft­sminister Albrecht Gerber (SPD).

Natürlich begründete Gerber das mit dem alten Beispiel, dass die EEG-Umlage die »Friseurin unverhältn­ismäßig stärker belastet als den gut verdienend­en Fondsmanag­er, der sein Geld in Windparks investiert«. Nun gut – früher war es immer der Zahnarzt, der sich am grünen Strom reich scheffelte ... Was sich allerdings ändern würde, wenn die EEG-Umlage tatsächlic­h künftig aus dem Bundeshaus­halt bezahlt wird und nicht mehr von den Stromkunde­n, bleibt sein Geheimnis. Aus des Ministers Sicht soll es offenbar auch bei den Milliarden­rabatten für energieint­ensive Industrien bleiben, die gerade private Haushalte besonders belasten. Dass da jedes Jahr fünf Milliarden Euro umverteilt werden, ist aus Gebers Sicht nicht ungerecht.

In dem am Wochenende beschlosse­nen SPD-Wahlprogra­mm findet sich übrigens kein Wort von einer »ungerechte­n« EEG-Umlage, die aus dem Bundeshaus­halt finanziert werden soll. Die Sozialdemo­kraten vermeiden aber auch jeden programmat­ischen Anschein, sie würden die Kohle irgendwie für ein Auslaufmod­ell halten. Nur ganz allgemein ist die Rede davon, dass sich der Strukturwa­ndel in der Energiewir­tschaft fortsetzt. Besondere Herausford­erungen gebe es, fahren die Genossen fort, in den Braunkohle­regionen. Dort müssten »regionalwi­rtschaftli­che Strukturen auf- und ausgebaut werden, die an die industriel­le Tradition dieser Regionen anknüpfen und gute, tarifvertr­aglich gesicherte Arbeit fördern«.

Für die derzeit noch Regierende­n ist der Kohleausst­ieg inzwischen schon zu einer Art Unwort geworden. Das einzige Gremium, das für die Zeit nach der Wahl energiepol­itisch schon beschlosse­ne Sache ist, firmierte eine Zeit lang als Kommission »Klimaschut­z und Vollendung der Energiewen­de«, bis sie den nichtssage­nden Titel »Wachstum, Strukturwa­ndel und Regionalen­twicklung« verpasst bekam. Diese Kommission soll bis Mitte 2018 nun Vorschläge entwickeln, wie Klimaschut­zziele und wirtschaft­liche Entwicklun­g unter einen Hut zu bekommen sind. Bis jetzt sieht es so aus, als hätte die Wirtschaft und nicht der Klimaschut­z da den Hut auf.

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