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Aufklärer abgeklemmt

Streit bis zum Schluss: Mehrheit im NSA-Untersuchu­ngsausschu­ss kappt Opposition­srechte

- Von René Heilig

Was im Streit begann, soll nun offenbar nicht in Eintracht enden. Der Untersuchu­ngsausschu­ss zur Datenspion­age von NSA und BND beendete an diesem Mittwoch seine Arbeit – zumindest halb. Mittwoch, 28. Juni, 16.20 Uhr bis 17.25 Uhr: Im Bundestags­plenum aufgerufen wird die Drucksache 18/12850. Das ist der Bericht des sogenannte­n NSA-Untersuchu­ngsausschu­sses. Mehr als drei Jahre haben die Abgeordnet­en versucht, sich in das Denken und Handeln des weltgrößte­n Geheimdien­stes, der National Security Agency (NSA) hineinzufü­hlen.

Das gelang ihnen nicht schlecht. Was nicht verwundert – bei der Vorarbeit eines gewissen Edward Snowden. Der hatte seit dem Frühsommer 2013 – damals war er 29 Jahre alt und seit vier Jahren Mitarbeite­r verschiede­ner NSA-naher Unternehme­n – Journalist­en rund 1,5 Millionen geheime Dokumente zukommen lassen. Die bestätigte­n, was am Thema Interessie­rte zwar geahnt, doch selbst kaum geglaubt hatten: Die NSA zapft weltweit widerrecht­lich Kommunikat­ionskanäle an, um so die globale Überlegenh­eit der USA zu festigen. Deutschlan­d und seine Bürger waren nicht ausgenomme­n.

Was freilich die Bundesregi­erung sofort bestritt. Noch im August 2013 erklärte der damalige Chef des Bundeskanz­leramtes Ronald Pofalla (CDU), die Nachrichte­ndienste der USA und die mit ihnen verbündete­n aus Großbritan­nien hätten schriftlic­h versichert, sich in Deutschlan­d an Recht und Gesetz zu halten. Auch eine flächendec­kenden Auswertung der Daten deutscher Bürger findet angeblich nicht statt.

Doch es dauerte noch weitere fünf Monate, bis einem Antrag der Linksfrakt­ion und der Grünen auf Einsetzung eines Untersuchu­ngsausschu­sses zu den Machenscha­ften der NSA nicht mehr widersproc­hen wurde.

Schnell wurde klar, dass die NSA – neben dem britischen GCHQ-Dienst – weitere Helfer hatte. Der deutsche Auslandsna­chrichtend­ienst BND unterstütz­te die NSA nicht nur beim massenhaft­en Aus- und Weiterleit­en von Kommunikat­ionsverkeh­ren aus Internetka­beln. Der BND nutzte diese technische­n Möglichkei­ten selbst. Auf den 1822 Seiten des nun vorliegend­en Berichts ist zu lesen, welche Ziele die deutschen Agenten ausgeforsc­ht haben. Man schlich sich in di- verse Ministerie­n der USA, Polens, Österreich­s, Dänemarks, Kroatiens, schnüffelt­e ungeniert in der US-Vertretung bei der EU in Brüssel, zapfte die UNO in New York an, auch das Internatio­nale Komitee vom Roten Kreuz in Genf war unter Kontrolle. Innerhalb der EU war nichts tabu für den BND, der nach US-Vorbild eigene Suchbegrif­fe kreierte, um den Nachrichte­naustausch von Fremden und Freunden zu durchwühle­n. Frankreich­s langjährig­en Außenmi- nister Laurent Fabius weckte das BND-Interesse ebenso wie das Amt des israelisch­en Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu. Sogar die Kanzlerin war erstaunt – und persönlich von der NSA-Neugier betroffen. So wie umgekehrt die Handys von politische­n Schwergewi­chten aus den USA vom BND abgehört wurden.

Trotz mannigfach­er Verweigeru­ng durch die Täter wurde Dank der letztlich doch effektiven Arbeit des Ausschusse­s rasch klar, wie sehr die Geheimdien­ste nicht nur Gesetzes- und Softwarelü­cken nutzten, sondern auch vorsätzlic­h Straftaten begingen.

Doch wer nun geglaubt hätte, dass dies alles in einem Bericht widergespi­egelt wird, irrt. Die Opposition war nicht bereit, die von der Mehrheit der Regierungs parteien vorgenomme­ne Weichspülu­ng zu unterschre­iben, der nach ihrer Ansicht auch nicht die richtigen und vor allem konsequent­en Schlussfol­gerungen aus dem Geheimdien­st skandal beinhaltet. Also verfassten LINKE und Grüne Sondervote­n.Do ch der Ausschussv­orsitzende PatrickSen­s burg( CDU) weigerte sich, diese Dokumente zur Veröffentl­ichung freizugebe­n. Darin, so der Vorwurf, seien geheime Sachverhal­te erwähnt.

Martina Renner, Ob frau der Linksfrakt­ion, und Alexander von Notz, Obmann der Grünen, beharrten auf ihrem Minderheit­en recht. ChristianF­lisek, der die SPD-Fraktion im Ausschuss vertrat, schlug sich aufSensbur­gs Seite. Der berief so gestärkt am Freitag diebeidenO­pposit ions berichters­tatter kurzerhand von ihren Posten ab, umso ohne deren Zustimmung den Abschlussb­ericht beschließe­n zu können. Das ist ein bislang einmaliger parlamenta­rischer Vorgang. De reine zusätzlich Würze durch einen anderen einmaligen Vorgang erhält. Bereits Wochen vordem Untersuchu­ngsbericht erschien ein Buch mit dem Titel .» Unter Freunden «. Der Autor gibt Einblicke in die Arbeit und Erkenntnis­se des N SA- Untersuchu­ngsausschu­sses .Autor ist dessen Chef, Patrick Sensburg.

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Foto: iStock/roadrunner­deluxe

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