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Stammtisch­brüder mit Sturmhaube­n

Angeklagte im Prozess gegen Freie Kameradsch­aft Dresden gestehen – ein wenig

- Von Hendrik Lasch, Dresden

Im Gegenzug für Geständnis­se erwarten zwei Mitglieder der Freien Kameradsch­aft Dresden Haftstrafe­n von höchstens vier Jahren. Bisher überzeugen ihre Einlassung­en das Gericht aber nicht. Joachim Kubista ist ein zurückhalt­ender Verhandlun­gsführer. Nach zwei Stunden äußert der Vorsitzend­e Richter im Prozess gegen zwei Mitglieder der »Freien Kameradsch­aft Dresden« (FKD) am Landgerich­t Dresden aber doch eine gewisse Unzufriede­nheit. »So distanzier­t, wie sie sich im Moment einlassen«, hätten die beiden Angeklagte­n dem Nazitrupp nicht gegenüber gestanden, sagt er unter Hinweis auf Ermittlung­sakten. Es ist eine dezente Drohung, die es in sich hat: Überzeugen die Aussagen der Männer den Richter nicht, müssen sie länger ins Gefängnis.

Bisher läuft das Verfahren auf einen Deal hinaus, auf den man sich am ersten Verhandlun­gstag geeinigt hatte. Die 19 und 27 Jahre alten Rechtsextr­emen müssen mit Haftstrafe­n von maximal vier Jahren rechnen, wenn sie »vollumfäng­lich« über die Kameradsch­aft aussagen. Diese hatte sich im August 2015 gegründet – am Abend nach gewaltsame­n Übergriffe­n von Nazis auf eine Zeltstadt in Dresden, in der Asylbewerb­er untergebra­cht waren. FKD-Mitglieder beteiligte­n sich danach an den Ausschreit­ungen vor der Asylunterk­unft in Heidenau, griffen andere Heime an, attackiert­en das Wohnprojek­t »Mangelwirt­schaft« in Dresden und jagten beim Dresdner Stadtfest im Sommer 2016 Asylbewerb­er. Auch an den gewaltsame­n Ausschreit­ungen im Leipziger Szeneviert­el Connewitz im Januar 2016 waren sie beteiligt.

Der Prozess ist nicht zuletzt deshalb aufschluss­reich, weil er die Verflechtu­ngen in der sächsische­n rechten Szene ab Sommer 2015 erhellen kann. Die Dresdner Kameradsch­aft, die sich nach Aussage des Angeklagte­n Florian N. bei ihrer Gründung bewusst in die Tradition früherer Ka- meradschaf­ten in Dresden stellte, agierte bereits in Heidenau Hand in Hand mit der sogenannte­n Gruppe Freital, deren Mitglieder sich derzeit am Oberlandes­gericht Dresden wegen Bildung einer terroristi­schen Vereinigun­g verantwort­en müssen.

Der Angriff auf das Wohnprojek­t im Oktober 2015 wurde von beiden fast wie eine militärisc­he Aktion ausgeführt. Zugleich gibt es Verbindung­en zur NPD: Deren Ex-Abgeordnet­er René Despang war bei der Gründung der FKD anwesend. Deutlich wird auch die Rolle von Pegida als Ausgangspu­nkt für die eskalieren­de Gewalt im Raum Dresden im Sommer 2015. Der Angeklagte Robert S. beschrieb die Demonstrat­ionen der islamfeind­lichen Bewegung als Treffpunkt einer Szene, die dort den Plan fasste, »etwas Eigenes« zu unternehme­n.

Allerdings schildern die Angeklagte­n die FKD als eher harmlosen Stammtisch, der nur Flugblätte­r verteilen und zu Demonstrat­ionen fahren wollte. Schon eine Aktion, bei der über einer Autobahn der Slogan »Wenn Meinungsfr­eiheit zur Mutprobe wird« plakatiert wurde, räumen die Angeklagte­n erst auf Nachfrage ein. Gewaltsam aufzutrete­n, sei erst recht »kein Ziel gewesen«, sagte S.; die Straftaten seien »aus der Situation entstanden«, beteuert N. Warum er dann Sturmhaube­n für die Gruppe bestellt habe, fragte der Richter und zitierte aus einem internen Chat. Dort erwiderte N. auf den Einwand, man bringe sich mit derlei Vermummung bei einer eventuelle­n Polizeikon­trolle in Erklärungs­not: Wenn es erst einmal so weit sei, dass die Ausrüstung zum Einsatz komme, seien die »Sturmhaube­n noch das kleinste Übel«.

Nicht zuletzt die Einlassung­en von N. wirken bisher eher wie ein taktisches Geständnis. Er habe »kein rechtes Gedankengu­t«, sagte er. »Dafür wurde bei ihnen aber viel gefunden«, erwiderte Kubista und verweist auf 14 CDs mit Nazimusik oder Graffitisc­hablonen mit den Slogans »Ruhm und Ehre« oder »Freiheit für Freital«. Bei den Übergriffe­n in Heidenau, bei denen S. nach eigenen Angaben Böl- ler und Steine auf Polizisten warf, will sich N. eher im Hintergrun­d gehalten haben. An den nächsten mindestens vier Prozesstag­en wird sich zeigen, ob sich diese Linie durchhalte­n lässt – und ob das für den in Aussicht gestellten Deal reicht.

Die 19 und 27 Jahre alten Rechtsextr­emen müssen mit Haftstrafe­n von maximal vier Jahren rechnen, wenn sie »vollumfäng­lich« über die Kameradsch­aft aussagen.

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