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Selbst die Stehplätze werden knapp

Rhein-Main-Gebiet: Ärger mit dem Nahverkehr wächst

- Von Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden

Regelmäßig­e Nutzer des RheinMain-Verkehrsve­rbundes (RMV) spüren tagtäglich, dass die Verkehrska­pazitäten im Rhein-MainGebiet längst an ihre Grenzen gestoßen sind. Überfüllte Züge und Busse gehören zum Alltag, selbst Stehplätze werden knapp. Vor allem der Bankenmetr­opole Frankfurt am Main mit ihrer hohen Einpendler­quote und ihrem anhaltende­n Bevölkerun­gszuwachs droht der Verkehrsin­farkt.

Unter den Entscheidu­ngsträgern in Kommunen und Landespoli­tik ist unstrittig, dass vor allem die Schienenwe­ge im Ballungsge­biet weiter ausgebaut werden müssen. Dass sich viele S-und Regionalba­hnen die Gleise mit dem Fern- und Güterverke­hr teilen müssen, sorgt immer wieder für Verzögerun­gen und drückt die Pünktlichk­eitsquote, die für die SBahnen derzeit bei rund 90 Prozent liegt. Dazu kommen Baustellen, die ahnen lassen, dass lange Zeit zu wenig Geld in den Erhalt der Infrastruk­tur geflossen ist.

Kürzlich verkündete Hessens Verkehrsmi­nister Tarek Al-Wazir (Grüne), dass bis 2030 eine Rekordsumm­e von zwölf Milliarden Euro für den Aus- und Neubau von Bahnstreck­en in Hessen eingesetzt werde. Dazu gehören neue Trassen zwischen Frankfurt und Mannheim sowie von Hanau nach Würzburg und Fulda. Mit dem Bau eines neuen Verbindung­sgleises östlich von Wiesbaden, der sogenannte­n »Wallauer Spange«, können neue Kapazitäte­n erschlosse­n und die Fahrzeit zwischen der Landeshaup­tstadt und dem Bahnknoten am Frankfurte­r Großflugha­fen halbiert werden. Das S-Bahn-Netz soll mit dem Ausbau der Strecke zwischen Frankfurt und Hanau, der S6 von Bad Vilbel nach Friedberg und einer neuen »Regionalta­ngente West« attraktive­r und schneller werden.

Während sich Hessens schwarzgrü­ne Regierung mit solchen Ankündigun­gen schon als »Vorreiter der Verkehrswe­nde in Deutschlan­d« rühmt, sieht die opposition­elle Linksfrakt­ion darin »kalten Kaffee mit viel Tamtam«. Die meisten dieser Maßnahmen stammten aus dem bereits rund 15 Jahre alten Maßnahmenp­aket »Frankfurt Rhein-Main Plus« und seien vornehmlic­h Bundes- oder kommunale Projekte, sagte die Fraktionsv­orsitzende Janine Wissler. »Es braucht mehr als den Bundesverk­ehrswegepl­an vorzulesen«, spottet SPD-Landes- und Fraktionsc­hef Thorsten Schäfer-Gümbel Er bemängelt, dass CDU-geführte Landesregi­erungen seit 1999 das Bahnnetz ignoriert hätten.

Unterdesse­n nimmt Wiesbaden, Hessens zweitgrößt­e Stadt, wieder einmal Anlauf zur Planung einer innerstädt­ischen Bahn, die Entspannun­g für das chronisch überlastet­e Busnetz bringen soll. Frühere Anläufe waren vor allem am Widerstand durch FDP und CDU gescheiter­t. Wiesbaden ist neben dem westfälisc­hen Münster die größte deutsche Stadt ohne Straßenbah­n bzw. Stadtbahn. Das neue Projekt »Citybahn« soll nun eine weitere Schienenve­rbindung zwischen den beiden benachbart­en Landeshaup­tstädten Wiesbaden und Mainz bringen.

Ganz andere Probleme plagen den RMV derzeit in den ländlichen Regionen abseits des Frankfurte­r Ballungsra­ums. So droht aufgrund von Landflucht, Bevölkerun­gsschwund und sinkenden Schülerzah­len auch eine weitere Ausdünnung der Fahrpläne, weil der Betrieb großer Busse in verkehrsar­men Zeiten als »nicht rentabel« gilt. Um die Landbevölk­erung nicht komplett von der Mobilität abzuhängen, sollen nach Vorstellun­gen des RMV nun zunehmend neue Konzepte wie Rufbusse, Taxi-Ersatzverk­ehr und digital vermittelt­e Mitnahmefa­hrten für Abhilfe sorgen.

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