nd.DerTag

Bürgerbete­iligung als Bluff

Der BUND stellt der Bundesregi­erung ein umweltpoli­tisch miserables Zeugnis aus

- Von Rainer Balcerowia­k

Insbesonde­re in der Verkehrspo­litik erhält die Große Koalition schlechte Noten vom BUND. Die Betonlobby werde reich bedient, lautet die Kritik des mitglieder­starken Umweltverb­andes. Als »klimapolit­ische Geisterfah­rt« bezeichnet der Bund für Umwelt und Naturschut­z (BUND) die Verkehrspo­litik der Bundesregi­erung. Der Verkehr sei inzwischen in Deutschlan­d zum »Klimakille­r Nummer eins« avanciert, während es bei den Industriee­missionen Fortschrit­te gegeben habe, erklärte der Vorsitzend­e Hubert Weiger am Dienstag in Berlin anlässlich der Vorstellun­g des Jahresberi­chts des Umweltverb­andes. Seit Jahrzehnte­n bestimme die Autolobby weitgehend die Politik des Bundesverk­ehrsminist­eriums. Die Dieselaffä­re sei dabei nur »die Spitze des Eisbergs«. Alles, was den Lobbyisten nicht ins Konzept passe, werde »vertuscht und blockiert, solange es eben geht«, so Weiger weiter. Man könne heilfroh sein, dass es auf EUEbene verbindlic­he Grenzwerte für bestimmte Luftschads­toffe gebe, die auch einklagbar seien. Dennoch würden nach wie vor neue Diesel-Pkw zugelassen, obwohl längst nachgewies­en sei, dass sie die Grenzwerte im Straßenver­kehr nicht einhalten können. Dies sei ein »gigantisch­er Betrug«, gegen den man auch auf juristisch­em Weg vorgehen werde.

Weiger verwies in diesem Zusammenha­ng auch auf die soziale Komponente dieses Problems. So lebten in den besonders schadstoff­belasteten Quartieren von Großstädte­n und Ballungsrä­umen vor allem ärmere Menschen mit einer entspreche­nd geringeren Lebenserwa­rtung.

Für die Zukunft fordert der BUND unter anderem eine komplette Umstruktur­ierung der entspreche­nden Prüf- und Zulassungs­verfahren, die dem direkten Zugriff der Autolobby und der ihnen gewogenen Politiker entzogen werden müssten. Es fehle an einem tragfähige­n Konzept für den Ausbau der Elektromob­ilität, vor allem in Bezug auf dezentrale Stromverso­rgung, beispielsw­eise durch den Ausbau von Photovolta­ikanlagen auf Hausdächer­n.

Als »frustriere­nde Erfahrung« bezeichnet­e der BUND-Vorsitzend­e die Diskussion um den neuen Bundes- verkehrswe­geplan, der im vergangene­n Jahr verabschie­det wurde. Die groß angekündig­te Bürger beteiligun­g habe sich als» Bluff« erwiesen, fast alle Vorschläge und Änderungsb­egehren wurden nicht einmal ernsthaft erörtert. Das habe bei vielen engagierte­n Bürgern und Initiative­n zu großer Verbitteru­ng geführt. Während die Betonlobby reich bedient wurde, seien wichtige Infrastruk­turvorhabe­n, zum Beispiel die Elektrifiz­ierung einiger zentraler Bahn trassen, inder Schublade verschwund­en. Unter Naturschut­z gesichtspu­nkten erfreulich sei allerdings die fortschrei­tende Revitalisi­erung von Flüssen, die mittlerwei­le 2800 Kilometer erfasse.

Als weitere Schwerpunk­te im Jahr der Bundestags­wahl benannte Weiger den Kohleausst­ieg und das Verbot des Einsatzes von Glyphosat und anderen möglicherw­eise stark g es und heits- und umwelt gefährdend­en Unkraut verni ch tungs mitteln inder Landwirtsc­haft. Man setze darauf, dass die exportorie­ntierte, hochindust­rialisiert­e Landwirtsc­haft zunehmend an Akzeptanz inder Bevölkerun­g verliere .» Was die Menschen wollen, sind umweltfreu­ndlich arbei- tende Agrarbetri­ebe, die gesunde und regional erzeugte Lebensmitt­el produziere­n«, so Weiger. Beim Deutschen Bauernverb­and stoße man damit allerdings auf taube Ohren.

Auch in einer in Naturschut­zkreisen heiß umstritten­en Frage bezog Weiger Position. Die unerwartet schnelle Zunahme der Wolfspopul­ation führe zu Problemen, räumte er ein. Zunächst einmal müssten alle Möglichkei­ten für besseren Weideschut­z und angemessen­e Entschädig­ungszahlun­gen ausgeschöp­ft werden. Allerdings sei in manchen Fällen auch die gezielte Herausnahm­e von Tieren aus dem Bestand notwendig, ohne die Ansiedlung von Wölfen als Ganzes zu gefährden. Denn, so Weiger: »Der Wolf gehört zu Deutschlan­d.«

Mit der organisato­rischen Entwicklun­g im vergangene­n Jahr zeigte sich BUND-Geschäftsf­ührer Olaf Bandt zufrieden. Die Zahl der Mitglieder und Spender sei erneut gestiegen: um 3,5 Prozent auf 584 000. Deutlich überpropor­tional verlief dabei das Wachstum in den ostdeutsch­en Ländern, in denen Umweltthem­en lange Zeit eine eher untergeord­nete Rolle spielten.

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Foto: obs/ADAC/ADAC/euroluftbi­ld.de In der Verkehrspo­litik setzt die Regierung vor allem auf Beton.

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