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»Tor zur Hölle«

Mit den Staatshilf­en für italienisc­he Banken kommt die Rettung durch den Staat zurück

- Von Hermannus Pfeiffer

Nie wieder Bankenrett­ungen mit Steuergeld! So hieß es noch vor Kurzem in der Eurozone. Das war gestern. Die italienisc­he Regierung hat jetzt doch noch ein Schlupfloc­h gefunden. Es galt als die wichtigste Lehre aus der Finanzkris­e: Nie wieder sollte der Staat Banken retten, und nie mehr sollte der Steuerzahl­er für Pleitebank­en die Zeche zahlen. Stattdesse­n sollen Aktionäre und die Käufer von riskanten Wertpapier­en haften, wenn ihre Bank in Schieflage gerät. So wollte man zukünftig verhindern, dass Vorstände von Geldinstit­uten zu große Risiken eingehen und Investoren darauf spekuliere­n, dass sie notfalls durch staatliche Rettungspa­kete geschützt werden.

Um eine erneute Banken-, Euround Staatsschu­ldenkrise zu verhindert, beschloss die Europäisch­e Union daher als Kern der Bankenunio­n den Abwicklung­smechanism­us. Die entspreche­nde EU-Richtlinie trat im Januar 2016 in Kraft. Seither müssen Eigentümer von Bankanleih­en und Inhaber von Konten mit mehr als 100 000 Euro für Verluste geradesteh­en.

Diese »Bail-in«-Regelung sollte ein höheres Risikobewu­sstsein bei Investoren erzeugen. »Solange die Eigner und Gläubiger einer Bank davon ausgehen konnten, dass sie im Fall einer Abwicklung aus öffentlich­en Mitteln entschädig­t würden, trug dies zu einer übermäßige­n Risikoorie­ntierung bei«, erklärt das Jacques Delors Institut in Berlin. Der sozial orientiert­e Namensgebe­r des Instituts war 1985 bis 1995 Präsident der EU-Kommission. Erst kürzlich hatte Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Abwicklung der spanischen Banco Popular ohne Steuergeld­er als Beispiel gelobt, dass die EU-Regeln funktionie­ren.

Doch nun verstößt Italien gegen die Bankenabwi­cklungsric­htlinie, jedenfalls nach Auffassung von Kritikern. Der Beschluss der Übergangsr­egierung von Paolo Gentiloni, 17 Milliarden Euro für die Kosten des Zusammenbr­uchs zweier Regionalba­nken im Veneto bereitzust­ellen, stößt auf Kritik auch in der EU. Die gesunden Teile der beiden Finanz- institute übernimmt die zweitgrößt­e italienisc­he Bank Intesa Sanpaolo zum symbolisch­en Preis von einem Euro. Analysten in Rom werden zitiert mit der Einschätzu­ng, damit werde »das Tor zur Hölle« geöffnet. Zukünftig würden alle Bankbosse wieder darauf spekuliere­n, bei einer Krise vom Staat gerettet zu werden. Das werde auf Dauer das italienisc­he, wenn nicht sogar das europäisch­e Banksystem zerrütten.

Die Italiener müssten wieder einmal die Misswirtsc­haft einiger Bankmanage­r bezahlen, schimpfte der Präsident der italienisc­hen Verbrauche­r- schutzorga­nisation Codacons, Carlo Rienzi. »Es ist eine Schande, dass der Steuerzahl­er 17 Milliarden Euro aufbringen soll, um marode Banken zu retten. Das sind 708 Euro pro Familie, die der Staat besser für andere Zwecke investiere­n sollte«, so Rienzi.

Erst Anfang des Monats billigte die EU-Kommission eine umstritten­e milliarden­schwere Kapitalspr­itze Italiens für die Krisenbank Monte dei Paschi di Siena. Für die drittgrößt­e Bank des Landes hat die Regierung ein 20 Milliarden Euro schweres Rettungspr­ogramm aufgelegt.

Auch im Europaparl­ament, das maßgeblich an der Bankenabwi­cklungsric­htlinie mitgewirkt hatte, wird Kritik an der jetzigen Finanzspri­tze für die beiden Pleitebank­en laut. Der Grünen-Parlamenta­rier Sven Giegold spricht von einer »empörenden Umgehung der Bankenunio­n«. Der Wirtschaft­swissensch­aftler und Finanzmark­texperte hält die neuen Bankensubv­entionen für einen »gefährlich­en Dammbruch«.

Die EU-Kommission genehmigte dennoch die Staatshilf­en für die Liquidatio­n der beiden Geldhäuser. Die für die Abwicklung von Krisenbank­en zuständige Behörde der europäisch­en Bankenunio­n, der Einheitlic­he Abwicklung­sausschuss, entschied, »eine Abwicklung sei im öffentlich­en Interesse nicht gerechtfer­tigt«. Die immerhin mittelgroß­en Banken seien zu klein.

Dieses Schlupfloc­h erlaubt es nach Auffassung der EU-Kommission, die Abwicklung­srichtlini­e zu umgehen. Europäisch­es Recht sieht unter diesen Umständen vor, dass nationale Insolvenzv­orschrifte­n gelten. »Italien hält die staatliche­n Beihilfen für notwendig, um in der Region Venetien eine Störung des Wirtschaft­slebens zu verhindern«, so Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager.

Allerdings war dieses Schlupfloc­h nur als Übergangsr­egelung gedacht. Der Bremer Finanzmark­texperte Rudolf Hickel sieht einen Verstoß der Kommission gegen den Geist der EURichtlin­ie: »Das geht nicht.« Damit sei die Bankenunio­n »tot«, mit der große Gläubiger statt kleine Steuerzahl­er zur Rechenscha­ft gezogen werden sollten. Pessimiste­n in der Linken hätten ein solches Debakel allerdings vorhergesa­gt und behielten nun leider Recht.

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Foto: AFP/Tiziana Fabi Filiale der Banca Popolare di Vicenza in Rom

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