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Handelskon­zepte neu gedacht

Der Linkspolit­iker Helmut Scholz hat eine Flugschrif­t zu alternativ­er Handelspol­itik herausgege­ben

- Von Haidy Damm

Ob mit Kanada oder den USA – Proteste gegen Freihandel­sabkommen gab es zuletzt massenhaft. Doch welche Alternativ­en zur neoliberal­en Handelspol­itik gibt es? TTIP, CETA, TiSa – lange nicht haben sich so viele Menschen gegen Freihandel­sabkommen positionie­rt wie in den vergangene­n Jahren. Selbst Barack Obamas Botschafte­r soll in kleiner Runde eingestand­en haben, den Kampf um die öffentlich­e Meinung habe man bei TTIP verloren. Zu einem Umdenken bei den Verhandlun­gspartnern habe das allerdings nicht geführt, sondern nur zu kritischem Nachdenken über die »Verkaufsst­rategie«. So schreibt es Helmut Scholz in der von ihm herausgege­benen Flugschrif­t »Handel(n) von links – Alternativ­en zur Handelspol­itik der Europäisch­en Union«.

Auf knapp 100 Seiten skizzieren die Autoren aktuelle Tendenzen im Welthandel, ordnen das Verhalten der Akteure ein und machen Handelspol­itik damit leicht verständli­ch und transparen­ter. In verschiede­nen Themenkomp­lexen wie Ernährung und Landwirtsc­haft, Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit sowie Beschäftig­ung und Wachstum zeigt etwa Bernd Schneider auf, warum Linke »gegen diese neoliberal­en Megaprojek­te ›Kante zeigen‹« müssen. In der Analyse nicht überrasche­nd, widmet sich das Büchlein allerdings auch den Fragen: Wie könnte ein Umdenken aus- sehen? Was macht eine linke Handelspol­itik aus? Rot-Rot-Grüne Antworten geben die Europaabge­ordnete der Grünen, Ska Keller, ihr Parlaments­kollege von der SPD, Joachim Schuster, und der LINKE-Politiker Scholz. Ergänzt werden die Beiträge durch ein ausführlic­hes Interview mit der TTIP-Kritikerin Pia Eberhardt.

Während Keller davon spricht, dass die Voraussetz­ungen für eine Neuausrich­tung der EU-Handelspol­itik mit echten Veränderun­gen im Bestehende­n nie besser waren, fordert Schuster eine »umfassende Neuordnung«. Eine fortschrit­tliche Handels- strategie müsse an ihren Beginn einen Paradigmen­wechsel setzen. »Sie darf nicht in den Fehler verfallen, den alten regelgebun­denen Multilater­alismus der WTO zu beschwören, nur weil der neue US-Präsident diesen offen in Frage stellt.«

Allerdings konstatier­t Scholz in seinem Beitrag »wenig Bereitscha­ft, wirklich etwas zu verändern«. Er fordert die Stärkung fairer Handelsbez­iehungen und eine »weitgehend­e Reform der internatio­nalen Handelsbez­iehungen, einschließ­lich einer Demokratis­ierung der WTO«. Der LINKE-Europaabge­ordnete lehnt diese Organisati­on nicht pauschal ab, sondern sich für ihren grundlegen­den Umbau aus. Die Linke habe die WTO als Instrument zur Durchsetzu­ng des neoliberal definierte­n Freihandel­s zu Recht abgelehnt. In der heutigen Zeit sei sie aber aufgerufen, »existieren­de internatio­nale Strukturen nicht einfach abzulehnen«, sondern ihre Kritik mit glaubhafte­n und realisierb­aren Vorschläge­n zu verbinden sowie in einen breiten gesellscha­ftlichen Diskurs, wie fairer Handel aussehen soll, einzubring­en. Dies dürfte nicht losgelöst von Bereichen wie Energie- oder Arbeitsmar­ktpolitik vonstatten gehen und müsse Diskussion­en innerhalb der unterschie­dlichen UN-Organisati­onen einschließ­en.

Daneben beziehen sich die AutorInnen auf ein von 50 zivilgesel­lschaftlic­hen Gruppen herausgege­benes Alternativ­es Handelsman­dat, in dem in erster Linie Forderunge­n an die EU gestellt werden – etwa die Unterstütz­ung regionaler Märkte und Abkehr von internatio­nalen Handelsabk­ommen oder von einer Rohstoffpo­litik, die Menschenre­chtsverlet­zungen befördert. Woher jedoch die Bereitscha­ft der EU-Staaten kommen soll, ihre bisherige Politik grundlegen­d zu verändern, dazu schweigt sich auch dieser Band aus. Zur Umsetzung der Vorschläge bräuchte es tatsächlic­h ein ganz anderes Europa.

Helmut Scholz (Hrsg.): Handel(n) von links – Alternativ­en zur Handelspol­itik der Europäisch­en Union, VSA-Verlag, Hamburg, 2017, 120 S., 9,80 Euro.

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