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Das Ende vor dem Anfang

Kurz vor dem Start der Tour de France in Düsseldorf gibt es den ersten Dopingfall

- Von Christoph Leuchtenbe­rg, Düsseldorf SID/nd

Die Tour de France hat noch nicht begonnen, da ist das Thema Doping bereits wieder präsent. André Cardoso beteuert nach einem positiven Test seine Unschuld.

Bestürzung, Ratlosigke­it, Häme: Die Dopingaffä­re um André Cardoso hat die Tour de France schon vor dem Auftakt am Samstag in Düsseldorf kalt erwischt. Was als prächtiges, spektakulä­res und vor allem sauberes Radsportfe­st am Rhein geplant war, bringt die Erinnerung­en an alte, schlimme Zeiten zurück.

»Ich bin am Boden zerstört und möchte klarstelle­n, dass ich nie verbotene Substanzen eingenomme­n habe«, teilte Cardoso, Teamkolleg­e des deutschen Radstars John Degenkolb bei Trek-Segafredo mit, nachdem seine positive A-Probe auf das Blutdoping­mittel Epo bekannt geworden war: »Ich glaube an sauberen Sport und hoffe, die B-Probe spricht mich von jedem Fehlverhal­ten frei.«

Das Statement des 32-Jährigen, der bei der Frankreich-Rundfahrt als Helfer des spanischen Kapitäns Alberto Contador eingeplant war, liest sich wie ein »Best of« der tränenreic­hen Äußerungen unzähliger erwischter Sünder der vergangene­n Jahrzehnte. Im Jahr 2017, in dem sich der Radsport geläutert und gesäubert wähnte, wirkt der Fall Cardoso aber völlig unverständ­lich.

»Wer sich heute noch mit Epo erwischen lässt, ist dumm«, hatte der Heidelberg­er Molekularb­iologe Werner Franke gesagt. Nicht 2017, sondern bereits 2008. Fast ein Jahrzehnt später wird also der so erfahrene Cardoso, der seine zwölfte Profisaiso­n im siebten Team fährt, im Training mit der Standardsu­bstanz erwischt. Ein stümperhaf­ter Einzeltäte­r oder mehr?

Für sein Team ist es jedenfalls der GAU, Trek bestreitet die Tour nun mit der Eselskappe. Allerdings zeigte sich die Equipe im Umgang mit dem Fall Cardoso auch nicht allzu souverän. Auf der Homepage ist dieser mit keinem Wort erwähnt, zudem teilte Trek mit, dass sich Cardosos Kollegen um Degenkolb nicht dazu äußern werden. Lediglich in einem dürren Statement zeigte sich das Team erschütter­t. »Wir sind tief betroffen«, hieß es da. Man fahre eine »Null-ToleranzPo­litik«, habe »höchste Ethikstand­ards«, deshalb sei Cardoso sofort suspendier­t worden. Es ist das alte Muster: Einem »Huch, wie konnte das denn passieren?« folgt in der Regel der Verweis auf die Individual­verantwort­ung des Fahrers.

Cardoso ist raus, Cardoso wird ersetzt. Durch wen, das ist – gelinde gesagt – unglücklic­h: Ins Team rückt Haimar Zubeldia, ein 40 Jahre alter baskischer Kletterer, ein Relikt aus dunklen Tagen. Zwar gilt der Veteran selbst als unbescholt­en. Mehr noch: Er ist einer von nur zwei unter 21 Rad- profis, die in der Zeit der sieben Siege von Lance Armstrong (1999 bis 2005) die Tour unter den Top 5 beendet haben und als unbelastet gelten dürfen. Doch Zubeldia diente loyal einer ganzen Reihe einschlägi­g überführte­r Kapitäne: Iban Mayo bei Euskaltel, Armstrong bei RadioShack, Alberto Contador schon bei Astana. Contador selbst, ansonsten durchaus mitteilung­sbedürftig, äußerte sich zum positiven Test seines Helfers nicht.

Dafür teilte sich Oleg Tinkow mit. Der exzentrisc­he Russe, Teamchef von Contador, ehe er sich Ende 2016 frustriert zurückzog, twitterte: »Hat Cardoso etwa sein Blut mit Contador vertauscht? Schämt euch, Trek!« Zudem solle Trek seinen Generalman­ager Luca Guerchilan­a auswechsel­n, dieser sei ein »einfältige­r Idiot«. Auch wenn die Worte Tinkows mit Vorsicht zu genießen sind, machen sie eines deutlich: Es gärt gewaltig unter der glänzenden Oberfläche des Düsseldorf­er Tourauftak­ts.

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Foto: imago/Sirotti André Cardoso

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