nd.DerTag

Tayyip der Trickreich­e

Velten Schäfer über das jüngste Manöver von Präsident Erdogan

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Vergessen Sie »Feiercops« samt »Linkschaot­en«: Der G20-Gipfel hat einen neuen Aufreger. Recep Tayyip Erdogan will ihn für einen öffentlich­en Auftritt nutzen. Damit brüskiert er Berlin: Denn dort hat man sich festgelegt, das nicht zu erlauben. Bisher insistiert der Präsident. Und was wollte man tun, wenn er dabei bliebe? Ihn im Hotel festhalten?

Erdogan hat keine Wahl mehr zu gewinnen. Er demonstrie­rt bloß seine Macht. Die EU braucht seine Küstenwach­e gegen die syrische Fluchtmigr­ation. Die NATO braucht ihn als Flugzeugtr­äger im Nahen Osten. Aus verwandten Gründen hofiert ihn aber auch Moskau. So kann er ungestraft westliche Journalist­en einsperren und kommt selbst mit dem Abschuss eines russischen Jets recht billig davon. Das mache dem Trickreich­en einer nach.

Längst nutzt Erdogan die NATO für seine eigene Großmachtp­olitik. Die Drohung mit dem »Bündnisfal­l« macht ihn unangreifb­ar, doch ordnet er sich dem Westen nicht länger unter. Ins Bild passt sein Ausscheren aus der Front der prowestlic­hen Golfdiktat­uren gegen das iranfreund­liche Katar: Nicht Riad, nicht Teheran, sondern Ankara als muslimisch­e Vormacht!

Nötig wäre eine offene Diskussion darüber, ob das wünschensw­ert ist. Eindämmen ließe sich Erdogan durch eine Restabilis­ierung in Damaskus. Dann herrschte wieder ein Patt im Kampf um die Führung im arabisch-islamische­n Raum. Und Erdogan hätte weniger Handhabe, Merkel derart vorzuführe­n.

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