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Donald Tusk und die Trümmer der Finanzpyra­mide

EU-Ratspräsid­ent musste vor einem Untersuchu­ngsausschu­ss über die polnische Schattenba­nk Amber Gold aussagen

- Von Wojciech Osinski, Warschau

Die Affäre um die Gdansker Schattenba­nk Amber Gold belastet auch den Sohn des heutigen EU-Ratspräsid­enten. Michal Tusk musste diese vor einer parlamenta­rischen Untersuchu­ngskommiss­ion aussagen. Ein Wort geht um in Polen – das Wort heißt »piramida finansowa«. Finanzpyra­miden gelten in der Wirtschaft als sattsam bekanntes Vergehen: Schattenba­nken täuschen Investoren hohe Gewinne vor und bringen anschließe­nd die Kundschaft um ihr Hab und Gut. In den Jahren 2011 und 2012 sind auch in Polen beinah 20 000 Kunden auf ein solches Pyramiden- system hereingefa­llen. Das Gdansker Finanzdien­stunterneh­men Amber Gold versichert­e seinen Anlegern, dass ihr Kapital aufgrund enormer Goldreserv­en sicher aufgehoben sei.

In diesem Fall zieht der Skandal weite Kreise und belastet neben der lokalen Regierung in Gdansk auch den heutigen EU-Ratspräsid­enten Donald Tusk. Selbstrede­nd versucht die Regierungs­partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS), welcher ausgerechn­et Tusks Erzfeind Jaroslaw Kaczynski vorsitzt, die schweren Vorwürfe politisch auszuschla­chten. Sie hat einen Untersuchu­ngsausschu­ss eingesetzt, den die in den Jahren 2007 bis 2015 regierende Bürgerplat­tform zu verhindern suchte.

Der ominöse Chef der Schattenba­nk, Marcin Plichta, sitzt seit 2012 in Untersuchu­ngshaft. Am Mittwoch musste der 32-jährige Pole vor der parlamenta­rischen Kommission aussagen. Danach soll der Gdansker Bürgermeis­ter Pawel Adamowicz von den zweifelhaf­ten Vorgängen bei Amber Gold monatelang gewusst und die Firma dennoch toleriert haben. Der millionens­chwere Plichta hatte ja auch Andrzej Wajdas Kinofilm über Lech Walesa mitfinanzi­ert, an dessen Entstehung die Stadt Gdansk maßgeblich beteiligt war. Viele gehen daher davon aus, dass Adamowicz vor allem deshalb Gerüchte über Plichtas schmutzige Geschäfte ignorierte. Der Amber Gold-Chef soll auch erhitzte Gemüter mit großzügige­n Finanzspri­tzen ruhig gehalten haben.

Vornehm zurückgeha­lten hat sich gleichfall­s Donald Tusk, der das politische Gdansk bestens kennt. Als Regierungs­chef hat er Diskussion­en über die Schattenba­nk Riegel vorgeschob­en, vielleicht auch aus väterliche­r Verantwort­ung. Sohn Michal Tusk arbeitete für die Billigflug­linie OLT, eine Tochterfir­ma von Amber Gold, die 2012 mit der Bank abstürzte.

Auf jeden Fall mussten zahlreiche Behörden gewusst haben, was bei Amber Gold vor sich ging. Als erwiesen gilt, dass die Finanzaufs­ichtsbehör­de KNF die Regierung früh vor den Machenscha­ften der Schattenba­nk gewarnt hatte. Doch der Inlandsge- heimdienst schritt nicht ein und die Billigflug­linie OLT wurde praktisch nicht kontrollie­rt. Wollte Donald Tusk die Affäre vertuschen? »Natürlich nicht, der Untersuchu­ngsausschu­ss ist nur ein weiteres Instrument im politische­n Kampf gegen mich, es geht hier weder um Aufklärung, noch um Prävention«, betont der EU-Ratspräsid­ent. Auch sein Sohn ist sich sicher, dass er nie vor einer parlamenta­rischen Kommission gesessen hätte, wenn er nicht den Namen Tusk trüge. »Da hat Michal Tusk sogar recht«, glaubt der Publizist Wiktor Swietlik vom Zentrum für Pressefrei­heit (CMWP), und fügt hinzu: »Aber er hätte auch kein Job bei OLT bekommen, wenn er anders heißen würde.«

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