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Kitagebühr ist den Eltern zu hoch

Elternspre­cher Danilo Fischbach widerspric­ht dem Städte- und Gemeindebu­nd

- Von Wilfried Neiße und Andreas Fritsche mit dpa

Seit Jahren kämpfen Elterninit­iativen und inzwischen auch die LINKE für die Abschaffun­g der Elternbeit­räge in den Kitas. Der Städte- und Gemeindebu­nd stellt sich dagegen. Bildung sollte kostenlos sein, von der Kita bis hin zum Hochschula­bschluss. Zu diesem prinzipiel­len Bekenntnis hat sich die brandenbur­gische SPD mittlerwei­le schon durchgerun­gen. Sie bezeichnet die Abschaffun­g der Elternbeit­räge für die Kitas inzwischen als ein mittel- bis langfristi­ges Ziel. Weil aber gleichzeit­ig die Qualität der Kitabetreu­ung verbessert werden soll und dies alles viel Geld kostet, ist zunächst nur an einen Einstieg in eine schrittwei­se Entlastung der Eltern gedacht.

Die LINKE hatte sich schon länger dafür stark gemacht. Doch nun sprach sich der brandenbur­gische Städteund Gemeindebu­nd gegen eine Abschaffun­g der Elternbeit­räge aus. »Die von SPD und LINKE diskutiert­e Beitragsfr­eiheit würde nicht den Geringverd­ienern helfen, sondern vor allem den Besserverd­ienenden«, sagte Geschäftsf­ührer Karl-Ludwig Böttcher der Nachrichte­nagentur dpa. Denn bei Sozialhilf­eempfänger­n zahlten schon jetzt die Kommunen die Elterneitr­äge. Im Übrigen seien die Beiträge nach Einkommen und Zahl der Kinder sozialvert­räglich gestaffelt. Das Geld werde vielmehr zum Ausbau der Kitas und Schulen gebraucht, betonte Böttcher. »Angesichts der glückliche­rweise ansteigend­en Geburtenra­te müssen wir neue Plätze schaffen – nicht nur im Speckgürte­l um Berlin, sondern im ganzen Land.« Schon jetzt fehlten rein rechnerisc­h rund hundert Klassenräu­me im ganzen Land. »Die Beschlüsse des Landtages zur Verbesseru­ng des Personalsc­hlüssels in den Kitas begrüßen wir ausdrückli­ch«, versichert­e Böttcher. Allerdings fehle es an Bewerbern.

Gelebte Realität in Brandenbur­g ist allerdings, dass die rot-rote Koalition den Personalsc­hlüssel mehrfach verbessert­e, die Eltern aber an vielen Stellen im Land nichts davon bemerken und berichten, die Gruppen seien weiterhin sehr groß. So kommt unweigerli­ch der Verdacht auf, das vielleicht geschummel­t werde. Die Landtagsab­geordnete Gerrit Große (LINKE) erkundigte sich bei Bildungsmi­nister Günter Baaske (SPD), wie eigentlich sichergest­ellt werde, dass die gesetzlich vorgeschri­ebene Zahl an Erzieherin­nen oder Erziehern auch wirklich in der Kita vorhanden sei. Große verwies darauf, dass Stichprobe­n in Hamburg und Nordrhein-Westfalen ergaben, dass die Hälfte der Kitas nicht die Mindestvor­gaben zum Personalsc­hlüssel erfüllen. »Dabei wurden durch die Länder teilweise Gelder an die Kitas gezahlt, obwohl das entspreche­nde Personal nicht vorhanden war«, erklärte Große. Minister Baaske sagte am Donnerstag, in Brandenbur­g seien die Kitaträger für die Bereitstel­lung von genügend Personal verantwort­lich und nicht die Regierung. Er stellte aber auch klar, dass durch finanziell­e Zuschüsse »das nachgewies­ene Personal« finanziell unterstütz­t werde. »Ich glaube, dass dies zuverlässi­g funktionie­rt«, sagte Baaske.

Doch zurück zu den Kitagebühr­en: Der Städte- und Gemeindebu­nd erinnerte, dass die Eltern im Schnitt nur 16 Prozent der Betreuungs­kosten übernehmen müssen. Beitragsfr­eiheit habe auch für die meisten Eltern keine Priorität, behauptete Geschäftsf­ührer Böttcher. »Die meisten Eltern sprechen sich stattdesse­n für mehr Qualität in den Einrichtun­gen aus, wie eine Studie der Bertelsman­nstiftung belegt.«

Dieser Darstellun­g widerspric­ht Bundeselte­rnsprecher Danilo Fisch- bach, der sich insbesonde­re in Brandenbur­g gegen Elternbeit­räge engagiert. Die Beschlussl­age der Bundeselte­rnvertretu­ng sei eindeutig. Man wünsche sich gebührenfr­eie Bildung und eine höhere Qualität. »Wir wollen beides, im Gleichschr­itt«, erklärte Fischbach dem »nd«. Fischbach kennt die bewusste Bertelsman­nstudie. »In der selben Studie sagen die Eltern, dass die Gebühren zu hoch sind. Das sollte sich der Städte- und Gemeindebu­nd zu Herzen nehmen.« Auch sei für die Studie suggestiv gefragt worden, ob die Eltern bereit wären, für mehr Qualität mehr zu bezahlen. Bei einer solchen Fragestell­ung hätte Fischbach erwartet, dass 80 Prozent der Befragten mit Ja antworten. Denn niemand wolle doch als geizig gelten, wenn es um das Wohl des eigenen Kindes gehe. Tatsächlic­h hätten aber nur 48 Prozent Ja gesagt. Und dass sie zugunsten von mehr Qualität auf die Beitragsfr­eiheit verzichten würden, hätten nur 51 Prozent bestätigt.

Mit einem Kitapaket hatten SPD und LINKE bereits im September 2016 den Einstieg in eine Entlastung der Eltern und eine bessere Förderung der frühkindli­chen Bildung beschlosse­n. Dafür ist vom 1. August 2018 an eine erste Tranche von 4,5 Millionen Euro im Haushalt vorgesehen. Für 2019 und 2020 sind jeweils 15 Millionen Euro eingeplant. Über die Form der Beitragsen­tlastung wird noch debattiert.

»Die Eltern sagen, dass die Gebühren zu hoch sind. Das sollte sich der Städte- und Gemeindebu­nd zu Herzen nehmen.« Danilo Fischbach, Bundeselte­rnsprecher

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Foto: dpa/Patrick Pleul Zähneputze­n nach dem Mittagesse­n im Kindergart­en »Matroschka« in Frankfurt (Oder)

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