nd.DerTag

Tschüss, Sachzwang

Warum die »Logik der Märkte« niemals unhinterge­hbar ist

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Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs bekam die sogenannte Globalisie­rung neuen Schwung. Autokonzer­ne, Banken und Einzelhänd­ler zogen gen Osten und eröffneten neue Fabriken und Filialen in Polen, Ungarn oder Russland. Die Planwirtsc­haft à la UdSSR war gescheiter­t, die freie Marktwirts­chaft wurde als einzig verblieben­es funktionie­rendes Wirtschaft­skonzept gefeiert.

Ökonomen und Politiker stellten den weltweiten Wettbewerb zunehmend als Sachzwang dar, dem sich alternativ­los alle unterordne­n müssen. Beschäftig­te in Frankreich konkurrier­en gegen Beschäftig­te in Deutschlan­d und Polen. Hohe Gehälter und Sozialleis­tungen verwandeln sich von einer Errungensc­haft zum Wettbewerb­sproblem.

Permanente­r Wettbewerb als unhinterge­hbarer Sachzwang, sich immerzu durchsetze­n zu müssen, in der Ausbildung, im Beruf: Das ist keine angenehme Vision. Denn Menschen sind Egoisten und soziale Wesen. Gerade junge Menschen pochen auf Alternativ­en zur vorherrsch­enden Ideologie, auf nationaler Ebene und zunehmend internatio­nal vernetzt.

Die Gipfelprot­este lassen sich interpreti­eren als globale Gegenbeweg­ung zur globalen Ausdehnung der Marktlogik: Zehn Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs meldeten sich die Gipfelstür­mer in Seattle zu Wort und machten anlässlich der Tagung der Welthandel­sorganisat­ion (WTO) der politische­n Elite deutlich, dass sie mit ihrer Vorstellun­g von Globalisie­rung nicht einverstan­den sind. Seither sind Gipfelprot­este ständiger Begleiter von Treffen der weltweiten politische­n Elite.

Wobei die ersten Gipfelstür­mer schon viel früher – kurz vor dem Mauerfall – auf die Straße gingen. Ihr Antrieb: der Kampf gegen eine koloniale Zurichtung von armen, überschuld­eten Staaten des globalen Südens durch den Internatio­nalen Währungsfo­nds und die Weltbank, die vor allem dem globalen Norden nachhaltig ökonomisch­e Vorteile auf dem Weltmarkt verschafft­e.

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