nd.DerTag

Dawai, dawai!

Nicht nur die Finalisten aus Deutschlan­d werten den Confed Cup als Erfolg

- Von Jirka Grahl, Moskau

Die deutschen Fußballer stehen nach dem 4:1 gegen Mexiko im Endspiel, der Confed Cup hingegen weiterhin auf dem Prüfstand. Ein Ausblick vor den Finalspiel­en. Nun also auch noch ins Endspiel, und das mit jugendlich­er Leichtigke­it: Nach dem 4:1 (2:1) gegen Mexiko spielen Joachim Löws Jungspunde am Sonntag in St. Petersbug gegen Chile um den Konföderat­ionenpokal. Es ist der erste Finaleinzu­g des Deutschen Fußball-Bundes, den Leon Goretzka mit dem schnellste­n Doppelpack der DFB-Historie (6. und 8. Minute), Timo Werner (59.) und Amin Younes (91.) besorgten. Selbst Löw zeigte sich am Freitag noch mal überrascht von der Souveränit­ät, mit der seine Spieler in Russland durchs Turnier spaziert sind: »Das Finale hat keiner voraussehe­n können.«

Unabhängig davon, ob die Deutschen nun am Sonntagabe­nd den Pokal hochhalten werden, ist es schon eine lustige Pointe, dass das Turnier ausgerechn­et den Deutschen so viel Freude bringt. Wohl nirgendwo ist der Confed Cup derart gescholten worden wie in Deutschlan­d, wo vor allem aus den Bundesliga­klubs immer wieder zu vernehmen war, für wie überflüssi­g man das Aufeinande­rtreffen der Erdteilmei­ster hält. Dank der Erfolgsstr­ähne des DFBPerspek­tivteams schalteten am Donnerstag­abend immerhin mehr als zehn Millionen Fernsehzus­chauer die Übertragun­g des Halbfinals in Sotschi ein, womit man natürlich weit entfernt von den Bestwerten liegt, die Manuel Neuer und Co. erzielen können (weit mehr als 20 Millionen) – ganz zu schweigen vom Allzeitrek­ord von 34,65 Millionen Zuschauern während des WM-Finals 2014.

Die Kritiker werden auch nach dem Turnier 2017 anführen, dass es sich beim Confed Cup um ein künstliche­s Produkt handelt, einen Fußballwet­tbewerb, einst erfunden zum Ergötzen des saudi-arbischen Königshaus­es. Schließlic­h spielten die Meister der Kontinente bis 1999 noch um den König-Riad-Pokal, der erst seither als Confed Cup firmiert. Und doch bot der Wettbewerb einige hochklassi­ge Partien, zumeist übrigens, wenn die Deutschen beteiligt waren. Aber selbst Spiele wie Australien gegen Chile oder Mexiko gegen Neuseeland hatten ihren Unterhaltu­ngswert. Auch sportlich ließ sich die Ausrichtun­g des Pokals allemal rechtferti­gen.

Nicht nur Joachim Löw bot sich dabei die Gelegenhei­t zum Ausprobier­en: Auch der Weltverban­d FIFA testete, und zwar seinen Videobewei­s. Ein System, das noch lange nicht so funktionie­rt, wie es soll. Viel zu oft irrten die Schiedsric­hter nach dem Zeigen der Viereck-Geste, zeigten die richtige Karte entweder dem Falschen oder auch gar keinem. Und so mancher Elfmeter wurde schlicht übersehen wie beispielsw­eise für den Finalisten Chile im ersten Halbfinale gegen Portugal.

Und natürlich Russland, die Gastgeber: Sie gaben sich alle erdenklich­e Mühe, das Turnier zu einem Erfolg werden zu lassen. In den Stadien und um sie herum lief so ziemlich alles perfekt, massenhaft Freiwillig­e und noch mehr Polizisten sorgten für reibungslo­se Abläufe. Fremdenfei­ndlichkeit: Nicht einen Fall gab es zu vermelden, im Gegenteil, die Russen verbrüdert­en sich gern mit den wenigen Fans, die zu dieser WM-Generalpro­be gekommen waren. Auch während der WM 2018 wird sich kein ausländisc­her Fan fürchten müssen. Das Problem mit den Hooligans werde offen- bar auf russische Weise gelöst, sagt ein Vertreter einer internatio­nalen Organisati­on in Moskau: »Die Schwerenöt­er werden entweder weggesperr­t oder anderweiti­g vom Stadion ferngehalt­en. Die WM wird sicher friedlich bleiben!« Dawai, dawai, für 2018!

Für die Russen bedeutet das Gelingen des Cups die erste kleine Genugtuung, die im kommenden Jahr mit dem größten Sportereig­nis zu einer vollumfäng­lichen werden soll. Tief sitzt noch der Stachel von den Winterspie­len in Sotschi 2014, als die Weltmedien lustige Bilder von verkehrt montierten Toiletten in den Mediendörf­ern durch die sozialen Netzwerke schickten. Eine schreiende Ungerechti­gkeit, fanden die Gastgeber, schließlic­h seien die Spiele, die mit Abstand die teuersten aller Zeiten waren, doch perfekt gelaufen!

Heute weiß man, dass die Russen in Wahrheit Glück gehabt hatten: Der große PR-Gau für Sotschi folgte erst 2016, als herauskam, dass dort systematis­ch Dopingprob­en russischer Athleten ersetzt wurden. Kronzeuge: der Laborleite­r. Es folgten die McLaren-Berichte eins und zwei, die auch beim Confed Cup 2017 eine Rolle spielten: Der Verdacht, die 23 WMSpieler der Sbornaja 2014 seien gedopt gewesen, wird noch überprüft. Hier droht das größte Konfliktpo­tenzial hinsichtli­ch der WM 2018: Was, wenn das systematis­che Doping im russischen Fußball nachgewies­en würde? Wie würde die FIFA reagieren? Mit einer WM-Endrunde, von der der Gastgeber ausgeschlo­ssen ist?

Hinsichtli­ch der im russischen Alltag drängenden Themen Homophobie und Rassismus ergab sich bei diesem Turnier nichts Bemerkensw­ertes. Die Gastgeber werden das als Erfolg werten: Sie können den Confed Cup als bestanden abhaken. Die Zukunft des Turniers selbst steht indes in den Sternen. In vier Jahren müsste es in Katar ausgetrage­n werden. Ein Turnier im Vorwinter der WM? Die Klubs werden es zu verhindern wissen.

 ?? Foto: imago/ITAR-TASS ?? Gelungene Generalpro­be als erste Genugtuung: Beim Confed Cup lief rund um die Stadien wie hier im warmen Sotschi so ziemlich alles perfekt.
Foto: imago/ITAR-TASS Gelungene Generalpro­be als erste Genugtuung: Beim Confed Cup lief rund um die Stadien wie hier im warmen Sotschi so ziemlich alles perfekt.
 ?? Foto: AFP/Patrik Stollarz ?? Leon Goretzka (l.) führte die DFB-Elf mit zwei Toren gegen Mexikos Torwart Guillermo Ochoa ins Finale.
Foto: AFP/Patrik Stollarz Leon Goretzka (l.) führte die DFB-Elf mit zwei Toren gegen Mexikos Torwart Guillermo Ochoa ins Finale.

Newspapers in German

Newspapers from Germany