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Brauchen Fische Sonnencrem­e?

Rostocker Forscher: Ostsee ist mit UV-Filtern belastet

- Von Joachim Mangler, Rostock

Bei vielen ist es ein Ritual: Bei der Ankunft am Strand wird erstmal dick Sonnencrem­e auf die Haut gebracht und dann ab ins Wasser. Das Problem ist, dass dann viel Creme im Wasser landet. Der unsachgemä­ße Gebrauch von Sonnencrem­es beim Strandbesu­ch kann nach Expertenme­inung langfristi­g zu Schäden in der Meeresumwe­lt führen. Bei Messungen in der Ostsee vor Warnemünde wurden 2016 sogenannte UV-Filter gefunden, die aus Sonnencrem­es stammen, sagt die Chemikerin Kathrin Fisch vom Leibniz-Institut für Ostseefors­chung Warnemünde der dpa. Bei den Messungen vor dem Ostseebad konnte sie beispielsw­eise 30 Nanogramm UV-Filter pro Liter Ostseewass­er nachweisen. Im Einzugsber­eich des Mühlenflie­ßes, einem Ostseezufl­uss bei Bad Doberan, waren es 170 Nanogramm UVFilter pro Liter Wasser. Ein Nanogramm ist ein milliardst­el Gramm.

Die Mengen im Nanogramm-Bereich seien wahrschein­lich für den Menschen ungefährli­ch, erklärt Fisch. Das Ganze sei also eine Frage der Langzeitwi­rkungen. Die Wissenscha­ftlerin geht davon, dass die UVFilter abgetragen werden, wenn sie zuvor in zu großen Mengen auf die Haut gebracht wurden. Auch zu kurze Einwirkung­szeiten der Cremes vor dem Baden könnten ein Grund sein. Eine wichtige Schlussfol­gerung der Promotions­arbeit sei, dass die Strandbesu­cher die Sonnencrem­e erst nach dem Baden auftragen sollten.

Auch der Chef des Thünen-Instituts für Ostseefisc­herei in Rostock, Christophe­r Zimmermann, sieht keine akute Bedrohung durch die Sonnencrem­e-Reste für die Fische in der Ostsee. »Im Meer sind die Verdünnung­en gewaltig.« Er verweist jedoch auf Untersuchu­ngen beim Aal, der sich in einem physiologi­sch schlechten Zustand befindet. Dies werde allgemein auf den negativen Einfluss von Chemikalie­n zurückgefü­hrt, die sich anreichern und dann auf das Hormonsyst­em wirken. »Allerdings holt der Aal sich seine Belastung im Süßwasser ab.«

»Es gibt Tausende Verbindung­en, die die Gewässer belasten«, sagt Fisch. Dazu zählten auch Arzneimitt­elrückstän­de, die sie bei ihren Messungen unter anderem auch im chinesisch­en Meer ebenfalls im Na-

Chemikalie­n, die sich im Wasser anreichern, wirken auf das Hormonsyst­em der Fische.

nogramm-Bereich fand. Sie macht darauf aufmerksam, dass andere Arbeitsgru­ppen in Laborversu­chen festgestel­lt haben, dass manche Antibiotik­a oder auch Schmerzmit­tel hormonell verändernd­e Wirkungen auf Meerestier­e wie Strandkrab­ben oder Muscheln haben können.

Vermutlich stamme ein großer Teil der Schadstoff­e aus den Abwässern der Anrainerko­mmunen, sagt die Chemikerin. Die im Haushaltsa­bwasser gelösten Verbindung­en können nicht von den Kläranlage­n herausgefi­ltert werden und gelangen so ins Meer. Wahrschein­lich sei auch, dass das Urinieren im Meer ebenfalls einen Beitrag leiste. Es sei also nicht nur ratsam, Sonnencrem­es sparsam zu dosieren, sondern auch, das stets Toilettenh­äuschen aufzusuche­n.

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