nd.DerTag

Sieben Tage, sieben Nächte

- Regina Stötzel

Harte Wochen liegen vor der Redaktion von »neues deutschlan­d«. Nein, nicht wegen des G20-Gipfels in Hamburg. Auch nicht wegen Sommerloch, Wahlkampf und Bundestags­wahl. Täglich sieht man Redakteuri­nnen und Redakteure über einem Plan schwitzen, der solche rätselhaft­en Einträge wie »Woche ab 3.7.: Dienstag Politik, verantw. Feuilleton« enthält. Es soll schon jemand um ein Haar kollabiert sein, weil er auf dem Weg zur Frühsitzun­g angesproch­en wurde mit den Worten: »Ach, heute bist du ja dran. Da bin ich aber gespannt.« Dabei handelte es sich nur um ein Späßchen.

In einer langwierig­en und komplizier­t verlaufend­en Phase der Rekonvales­zenz befindet sich auch der Kollege, der diesen Plan in mehrtägige­r Klausur und unter starker Beeinträch­tigung seines körperlich­en und geistigen Wohlbefind­ens produziert hat.

Der Plan umfasst die acht heißesten Wochen des Jahres. Nicht ein einziger Werktag wurde ausgelasse­n. Kein einziges Ressort kommt ungeschore­n und ohne Mehrfachei­ntragung davon. Wir belassen es nicht bei der Kritik an politische­n, sozialen und kulturelle­n Geschehnis­sen. Wir geben uns auch nicht mit dem täglichen »Wer hat was zur aktuellen Ausgabe zu sagen?« zufrieden. Nein: Wir organisier­en beinharte Kritik an uns selbst. Alle Ressorts kritisiere­n. Alle werden kritisiert. Reihum.

Man könnte von einer Politik sprechen, wie sie in dieser Ausgabe beschriebe­n ist (siehe Seite 23): »Offen für jede Kritik, sucht sie nicht nach einer utopischen Lösung, sondern nach immer besseren Lösungen.« Ob wir damit echte Demokratie schaffen, wird sich noch herausstel­len.

Jedenfalls konnten bereits nach wenigen Tagen neben vielen speziellen Erkenntnis­sen auch schon solche allgemeine­rer Natur gewonnen werden: Erstens: Organisier­te Kritik ist gründliche­r, tiefgehend­er, konstrukti­ver, wird besonnener formuliert und ruhiger sowie mit größerer Offenheit aufgenomme­n. Zunächst. Jetzt will sich das erste kritisiert­e Ressort schon mit einem anderen treffen, »um sich die Köpfe heiß zu diskutiere­n oder einzuschla­gen«.

Zweitens: Die Interpreta­tionsspiel­räume bei manchen Texten sind erstaunlic­h. Selbst bei den Bildern ist keineswegs auf den ersten Blick alles klar. Was für den einen ein Vulkan, ist für den anderen eine Krone auf einem Kopf.

Drittens: Man kann auch nach vielen Jahren der Zusammenar­beit immer noch Neues über Kollegen lernen, etwa hinsichtli­ch bizarrer Vorlieben. So schmökert der eine genüsslich in den monatliche­n Bestseller­listen, der andere erfreut sich an einem hübschen Gerundium. Und wenn sich allzu sehr über die Bayern lustig gemacht wird, springt ihnen sogar der Franke aus der Redaktion zur Seite.

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