nd.DerTag

»Hoffen, dass was rauskommt«

- Hermannus Pfeiffer

Wolfgang

Schwerdtfe­ger hegt Hoffnung für den G20-Gipfel. »Man kann viel erreichen, wenn man miteinande­r redet«, sagt der Hamburger Hafenarbei­ter und Museumsfüh­rer. In dem verhaltene­n Optimismus steckt die Erfahrung aus vier Jahrzehnte­n harter Arbeit an der Kaikante. Von Hand zu Hand liefen die Säcke, »Nase an Nase stand man mit den Kollegen«. Üblich war auch noch »die Halbe« – alle Docker eines Terminals hatten von 11 bis 11:30 Uhr Pause und nutzten die Zeit, um miteinande­r zu »sabbeln«. Solch Zusammenha­lt prägt, erzählt Schwerdtfe­ger in seiner ruhigen hamburgisc­hen Mundart. Die Kolleginne­n und Kollegen des nur noch teilweise der Stadt gehörenden Hafenbetre­ibers HHLA mochten wohl die klare und offene Ansprache und wählten den heute 59-Jährigen zum Betriebsra­t.

Schon als Schüler war Wolfgang ein Dickkopf. Kaufmann, wie es die Eltern wünschten? »Nö«, das war nichts für ihn. Ein Nachbar, selber Tallymann, nahm ihn mit in den Hafen. »Da war gleich klar, das ist meine Welt, die Menschen, die Atmosphäre.« Schwerdtfe­ger wird Tallymann. Waren müssen geprüft werden, Säcke dürfen nicht beschädigt werden. Er lernt, wie man Schiffe belädt, ordentlich und sicher. Ladung darf nicht rutschen, das ist gefährlich für die Mannschaft. Auch das prägt.

Die englische Sprache wird zum Hobby. Weltoffenh­eit gehört schließlic­h zum »Tor zur Welt«. Später führt er eine Gang von mehreren Männern, organisier­t das Entladen großer Containers­chiffe. Das »Brückenbal­lett«, nennt es Schwerdtfe­ger, der selber lange Containerb­rücken fuhr, mit denen die tonnenschw­eren Stahlboxen vom Kai ins Schiff gehievt werden oder umgekehrt. Das Brückenbal­lett braucht Staupläne, damit die Arbeit reibungslo­s läuft. Die Pläne schreibt Schwerdtfe­ger, nun doch ein wenig »Büromensch«.

Heute planen Computer. Schwerdtfe­ger hatte noch Bananensta­uden per Hand verladen. Mittlerwei­le werden die noch grünen Südfrüchte in Kartons geliefert und stecken in Kühlcontai­nern. Der Container, resümiert Schwerdtfe­ger, habe alles verändert: »Früher war die Arbeit im Hafen ein Knochenjob, heute ein Nervenjob.«

Als Tallymann hatte der kraftvolle Schwerdtfe­ger noch täglich hunderte Säcke gestemmt, heute sitzen Hafenarbei­ter die ganze Schicht »im Glaskasten« eines Portalhubw­agens, mit dem die Boxen an Land zu Lkw und Bahn bewegt werden – und leiden unter Rückenschm­erzen. Auch »die Halbe« ist Vergangenh­eit. Eine Folge: Der frühere enge Zusammenha­lt der Arbeiter fehle heute. Doch unzufriede­n sei dennoch heute kaum einer. Es gebe schlimmere Jobs. Und weiterhin werde schließlic­h im Hafen gut verdient, wenn man ranklotzt, auch nachts, am Wochenende.

Die Welt habe sich in 44 Jahren verändert. Und der Hafen profitiert von der Globalisie­rung. Der passionier­te Fahrradfah­rer macht das Beste daraus. Seit kurzem ist er in Altersteil­zeit – und Museumsfüh­rer. Ein früherer HHLA-Kollege brachte ihn zum Hafenmuseu­m am Schuppen 50A. Geschichte von unten, gelebt von Menschen aus der maritimen Wirtschaft. Ein erfahrener Tallymann wurde im Hafenmuseu­m gerade dringend gebraucht.

Dass sich die Chefs der Globalisie­rung auf einem G20-Gipfel zusammense­tzen, findet der Buchleser okay. Statt Hamburg lahmzulege­n, hätte der Gipfel aber wie 2007 um Heiligenda­mm stattfinde­n sollen. Dort sei immer noch ein Großteil der notwendige­n Infrastruk­tur erhalten, hat Schwertfeg­er auf einer Radtour entdeckt. Vor allem sorgt er sich wegen Kriegen, »die sind notwendig wie ein Kropf«. Die Weltpoliti­ker sollten endlich wollen und handeln. »Ich hoffe, dass auf dem Gipfel was rauskommt.«

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Foto: Pressebüro fdl Hamburg Wolfgang Schwerdtfe­ger, Arbeiter in Deutschlan­d

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