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Von Piepmätzen und Kommuniste­n

Ralf Fücks ist als Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung abgetreten.

- Von Aert van Riel

In der Mythologie galten Vögel oft als Inbegriff der Freiheit. Trotz der Erdanziehu­ngskraft können sie sich gen Himmel aufschwing­en und die Welt von oben betrachten. Es überrascht nicht, dass Ralf Fücks, der sich selbst als Freiheitsl­iebenden sieht, viel Sympathie für die gefiederte­n Tiere empfindet. Diese Gefühle gingen so weit, dass er in den 90er Jahren als grüner Umweltsena­tor in Bremen sieben Flächen des Stadtstaat­es bei der EU als Vogelschut­zgebiete anmeldete, ohne Senat oder Bürgerscha­ft zu fragen. Die Medien schrieben von einer »PiepmatzAf­färe«, an der die Koalition aus SPD, Grünen und FDP letztlich zerbrach.

Doch Fücks fand schnell eine neue Anstellung. Der Mann mit der Glatze und dem durchdring­enden Blick wurde Vorstand der parteinahe­n Heinrich-Böll-Stiftung, wo er mehr als 20 Jahre lang blieb. Zum Monatswech­sel hat er diesen Job an seine Nachfolger­in, die ostdeutsch­e Pfarrerin Ellen Ueberschär, übergeben. Entscheide­nd hiefür waren Altersgrün­de. Fücks wird demnächst 66 Jahre alt.

Beobachter des Politikbet­riebs sind sich einig, dass es Fücks im Unterschie­d zu anderen Chefs von politische­n Stiftungen nicht in erster Linie um einen gut dotierten Versorgung­sposten ging. Er hat vielmehr im Hintergrun­d großen Einfluss auf seine Partei ausgeübt. Bereits Ende der 80er Jahre wollte Fücks als Parteichef, der damals Bundesspre­cher genannt wurde, die Grünen auf Regierungs­fähigkeit trimmen. Fücks und seine Mitstreite­r konnten sich damit durchsetze­n. Ökosoziali­sten wie Rainer Trampert, Thomas Ebermann und Jutta Ditfurth verließen die Partei. Dagegen wurden Fücks und andere Politiker, die in den 70er Jahren Mitglieder des Kommunisti­schen Bunds Westdeutsc­hland (KBW) waren und sich später zu Realos gewandelt hatten, bei den Grünen immer wichtiger. Dazu zählten der frühere Parteichef Reinhard Bütikofer, der einstige Abgeordnet­e Winfried Nachtwei und Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n. Der längst aufgelöste KBW wird von früheren Mitglieder­n, die sich von ihrer Vergangenh­eit distanzier­en wollen, als »Sekte« bezeichnet.

Fücks ist es offenbar peinlich, dass er einer der Wortführer der maoistisch­en Organisati­on war. In seinem Lebenslauf auf der Internetse­ite der Heinrich-Böll-Stiftung gibt er lediglich an, »sich in der Studentenb­ewegung und in der außerparla­mentarisch­en Opposition« engagiert zu haben. Für Menschen, die auf die Straße gehen, um gegen ihre Regierung zu demonstrie­ren, kann sich Fücks zuweilen noch immer begeistern. Für den »europäisch­en Patrioten« (»taz«) ist es inzwischen entscheide­nd, dass dabei möglichst viele EU-Flaggen ge- schwenkt werden. Dann sieht er auch darüber hinweg, wenn Neonazis bei den Protesten mitmachen. Eine solche Mischung von Menschen war einst bei den Demonstrat­ionen auf dem Kiewer Maidan zu beobachten. Fücks hatte den politische­n Umsturz in der Ukraine als »Unabhängig­keitsrevol­ution gegenüber dem Vorherrsch­aftsanspru­ch Russlands« bejubelt.

Wenn sich die Revolution dann zu einem bewaffnete­n Konflikt auswächst, weil ein Teil der Bevölkerun­g nicht begeistert von den politische­n Veränderun­gen ist, ruft Fücks im Zweifel nach dem Militär. Über eine entspreche­nde Unterstütz­ung der Kiewer Zentralreg­ierung durch westliche Staaten hatte er öffentlich nachgedach­t. Andernorts machte sich Fücks für eine direkte Kriegsbete­ili- Ralf Fücks, Vordenker der Grünen, geht in den Ruhestand. gung der NATO stark. Das galt etwa für den Balkan und Afghanista­n.

Das Wirken von Fücks blieb aber nicht auf die Außenpolit­ik beschränkt. Sein Buch »Intelligen­t wachsen: Die grüne Revolution« gehörte zur Pflichtlek­türe von Führungspo­litikern der Grünen. Fücks will darin zeigen, wie man Ökonomie und Ökologie zusammenfü­hrt. Ressourcen und Energie sollen möglichst schonend eingesetzt werden. Doch Fücks setzt der Umweltpoli­tik auch Grenzen. Strenge staatliche Regelungen seien »autoritär«. Auch die Regierungs­politik der Grünen setzt in diesem Sinne auf Zurückhalt­ung.

Im Frühjahr erschien die Schrift »Freiheit verteidige­n: Wie wir den Kampf um die offene Gesellscha­ft gewinnen«. Als Gegner der Rechtsstaa­tlichkeit sieht Fücks autoritäre Herrscher und nennt den russischen Präsidente­n Wladimir Putin als Beispiel. Zudem warnt er in der EU vor rechten Parteien und linken Politikern wie dem Franzosen Jean-Luc Mélenchon, weil sie für nationalen Souveränis­mus stünden. Für Differenzi­erungen bleibt kein Raum, wenn man alles so schön einfach erklären kann. Viele Mächtige in westlichen Staaten schont Fücks hingegen. Mit ihnen versteht er sich zum Teil bestens. Das gilt etwa für Kanzleramt­schef Peter Altmaier (CDU), der das Buch in höchsten Tönen lobte.

Fücks hat die Böll-Stiftung nachhaltig beeinfluss­t, und man kann davon ausgehen, dass sie in vielen Bereichen in seinem Sinne weiterarbe­iten wird. Auf ihrer Website wurde kürzlich ein Text veröffentl­icht, in dem Sylke Tempel, Chefredakt­eurin der Zeitschrif­t »Internatio­nale Politik«, dafür plädiert, dass Deutschlan­d und die EU trotz der Übernahme der US-Präsidents­chaft durch Donald Trump weiter auf die »transatlan­tischen Beziehunge­n« setzen sollten. Tempel hat dabei die NATO im Blick, die sie als »Wertegemei­nschaft« bezeichnet. Diese Formulieru­ng hätte auch von Fücks stammen können.

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Foto: Imago/IPON

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