nd.DerTag

Rückwärts und hilflos

- Jürgen Amendt zur Kritik am digitalen Lernen

Im US-Bundesstaa­t Kalifornie­n gibt es eine Universitä­t, die nach der römischen Schutzgött­in der Dichter und Lehrer, Minerva, benannt ist. Die Studierend­en der Minerva-Universitä­t haben ein hartes Auswahlver­fahren durchlaufe­n; die Aufnahmequ­ote war im vergangene­n Jahr selektiver als die der Harvard-Universitä­t. Wer ausgewählt wird, zählt zur künftigen akademisch­en Elite des Landes.

An der Minerva-Universitä­t gibt es jedoch keinen Campus, keine Bibliothek mit gedruckten Büchern, keine Hörsäle und Seminarräu­me. Die Studierend­en der Hochschule sitzen in Cafés oder auf dem heimischen Sofa und verfolgen auf ihren Notebooks die Seminare und Vorlesunge­n ihrer Dozenten. Alle vier Monate wechseln sie den Wohnort, ziehen in eine andere Stadt, nach Berlin etwa oder nach Buenos Aires.

Die 2012 gegründete Universitä­t ist sicherlich kein Vorbild für Massenuniv­ersitäten – nicht für die in den USA und auch nicht für jene hierzuland­e, aber sie zeigt, dass die digitale Revolution nicht vor der universitä­ren Ausbildung halt machen wird. So wie es hilflose Maschinens­türmerei ist, Notebooks, Tablet-PCs oder Smartphone­s aus dem Schulunter­richt zu verbannen, ist es rückwärtsg­ewandt, die Möglichkei­ten der digitalen Technik an den Universitä­ten und Hochschule­n auf Powerpoint-Präsentati­onen zu beschränke­n.

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