nd.DerTag

Zerstritte­n in die Sommerpaus­e

In Thüringen werfen sich Regierung und Opposition gegenseiti­g Arbeitsver­weigerung vor

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Ende 2014 startete Rot-Rot-Grün in Thüringen, die CDU, die 25 Jahre regierte und für viele Fehlentwic­klungen verantwort­lich ist, ging sofort auf Konfrontat­ion. Doch derzeit ist das Verhältnis besonders schlecht. In einer Demokratie ist die Aufgabe der Opposition, das, was die Regierung und die sie tragende Koalition tun oder lassen, kritisch zu hinterfrag­en. Damit die Mächtigen auf Zeit in ihrem Amt nicht nach Belieben schalten und walten können. Deshalb ist es im Sinne des Systems, dass sich Opposition und Regierung in vielen Dingen nicht einig sind, sondern aus verschiede­nen Perspektiv­en auf die gleichen Sachen blicken.

Allerdings funktionie­rt eine Demokratie dann nicht richtig, wenn sich das Regierungs- und das Opposition­slager fast nur noch gegenseiti­g beschimpfe­n und sich Arbeitsver­weigerung vorwerfen – statt die Argumente der Gegenseite wenigstens zu prüfen. So wie das gerade in Thüringen der Fall ist, wo sich LINKE, SPD und Grüne auf der einen und vor allem die CDU auf der anderen Seite fast nur noch mit nicht nett gemeinten Pauschalur­teilen überziehen. In die Sommerpaus­e ging die Landespoli­tik deshalb tief, ja völlig zerstritte­n.

Selten ließ sich das zuletzt so gut beobachten wie während jener Aktuellen Stunde, die auf Antrag der CDU im letzten Landtagspl­enum vor der Sommerpaus­e anberaumt worden war. Titel: »Vermurkste Reformen und Zweifel an der eigenen Handlungsf­ähigkeit im Kabinett des Ministerpr­äsidenten Bodo Ramelow«. Die Debatte dazu war schließlic­h noch schärfer, noch härter, noch unfreundli­cher, als es diese Überschrif­t erwarten ließ – eben weil es derzeit keine Grundlage für ernsthafte Gespräche zwischen Rot-RotGrün unter Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (LINKE) und der CDU gibt. Nicht bei der Funktional-, Verwaltung­s- und Gebietsref­orm. Nicht bei der Inneren Sicherheit. Nicht bei der Haushaltsp­olitik. Nicht bei der Bildung. Obwohl all diese Politikfel­der für die Zukunft des Freistaats von höchster Bedeutung sind. Da war zum Beispiel der CDU-Fraktionsv­orsitzende Mike Mohring, der auch in dieser Debatte der Koalition vorwarf, nur politisch gescheiter­te Menschen in die Regierung berufen zu haben oder sich an der Zukunft der Thüringer Kinder zu versündige­n, weil das Dreierbünd­nis die Probleme mit dem Unterricht­sausfall nicht in den Griff bekomme.

Mehrfach hatte sich Mohring dabei auch auf die vor wenigen Tagen öffentlich gewordene E-Mail des Chefs der Thüringer Staatskanz­lei, Benjamin-Immanuel Hoff (LINKE), bezogen, in der dieser davor gewarnt hatte, dass der Landesregi­erung die Handlungsu­nfähigkeit drohe, wenn sich die rot-rot-grünen Ministerie­n weiterhin gegenseiti­g im Regierungs- kabinett blockierte­n. Was Mohring dann dazu trieb zu behaupten: »Niemand in dieser Regierung kann es, diese Regierung kann es nicht.«

In ihrer Erwiderung auf diese Grundsatzk­ritik standen die Rot-RotGrünen Mohring dann in nichts nach. Sie warfen ihrerseits der CDU vor, als Opposition­spartei völlig zu versagen. Der SPD-Fraktionsv­orsitzende Matthias Hey zum Beispiel sagte, die CDU komme ihm vor, wie jemand, der sich im Liegestuhl mit einem Cocktail in der Hand amüsiere, während die Koalition in der Hitze für das Land arbeite und schwitze. Und Hoff meinte: »Sie machen zurzeit nichts weiter, als zu sagen: Die machen’s falsch!« Die CDU mache seit Langem keinen einzigen konstrukti­ven Vorschlag zur Landespoli­tik. Und weiter: »Sie haben jede Verpflicht­ung bisher verfehlt, zu sagen, was Sie eigentlich tun wollen und an welcher Stelle Sie etwas besser machen würden.«

Was an dieser Konfrontat­ion besonders bitter ist: Die CDU-Vorwürfe an die Regierung und die Koalition sind in ihrer Pauschalit­ät ebenso falsch, ja populistis­ch, wie es die rotrot-grünen Vorwürfe an die CDU sind. Denn selbstvers­tändlich hat Rot-Rot-Grün zuletzt eigene politische Akzente gesetzt – zum Beispiel bei der Einführung des für Eltern beitragsfr­eien Kita-Jahres. Und ebenso wahr ist, dass die CDU durchaus eigene Vorstellun­gen für eine Verbesseru­ng des Thüringer Schulsyste­ms vorgelegt hat.

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Foto: dpa/Martin Schutt Schlechte Stimmung: Ramelow und Mohring (r.) im Landtag

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