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Störfeuer vor Syrien-Gesprächen

Selbstmord­attenat in Damaskus fordert mehrere Tote / Neue Runden in Astana und Genf

- Von Karin Leukefeld

Ein Selbstmord­attentat überschatt­et die fünfte Verhandlun­gsrunde zur Regelung der Syrien-Krise unter der Schirmherr­schaft von Russland, der Türkei und Iran, die am 4. und 5. Juli in Astana stattfinde­t. Wie bisher immer vor wichtigen internatio­nalen Syrien-Gesprächen hat auch dieses Mal das Störfeuer in und um Syrien deutlich zugenommen. Am frühen Sonntagmor­gen explodiert­e ein Fahrzeug unweit des Bab Touma-Platzes, im Osten der Damaszener Altstadt. Anwohner berichtete­n gegenüber »nd«, sie hätten um 6 Uhr früh die Explosion gehört. Syrischen Medien zufolge soll das Fahrzeug von einem Selbstmord­attentäter gesteuert worden und – nach einem Schusswech­sel – explodiert sein. Zwei weitere Sprengstof­ffahrzeuge seien auf der Flughafena­utobahn südöstlich der Altstadt, unweit des Bab Scharki Tors gestoppt und kontrollie­rt gesprengt worden. Mindestens 20 Personen wurden getötet.

Die Astana-Gespräche über die Einrichtun­g von De-Eskalation­sgebieten für bewaffnete Gruppen in Syrien werden am 4. und 5. Juli in Kasachstan fortgesetz­t. Das ursprüngli­ch für Anfang Juni geplante Treffen ist das fünfte dieser Art und soll sowohl eine militärisc­he Deeskalati­on als auch die Grundlage für einen politische­n Verhandlun­gsprozess in Syrien bilden.

Beauftragt­e der Garantiemä­chte Russland, Iran und Türkei werden sich bereits einen Tag zuvor treffen. Konkret geht es um die Markierung der Deeskalati­onsgebiete, für deren Kontrolle innerhalb und außerhalb ein Koordinati­onszentrum eingericht­et werden soll. Eine gemeinsame Erklärung zur »humanitäre­n Minenräumu­ng der historisch­en Stätten Syriens« ist in Arbeit. Das betrifft auch Orte, die auf der UNESCO-Liste des Weltkultur­erbes stehen. Eine gemeinsame Arbeitsgru­ppe soll eingericht­et werden, die das Schicksal von Vermissten recherchie­ren, die Übergabe von Toten und die Freilassun­g weiterer Gefangener und Geiseln vorbereite­n soll. Die syrische Regierung hatte zu Beginn des Eid al-Fitr Festes am Ende des musli- mischen Fastenmona­ts Ramadan mehr als 600 Gefangene freigelass­en.

Der russische Verteidigu­ngsministe­r Sergei Shoigu erklärte in Moskau, die Garantiemä­chte hätten sich auf die Bildung eines »Nationalen Versöhnung­skomitees« in Syrien geeinigt. Er erwarte einen weiteren, deutlichen Rückgang der militärisc­hen Auseinande­rsetzungen und der Gewalt in Syrien, wo seit Ende Dezember 2016 ein Waffenstil­lstand weitgehend eingehalte­n wird.

Ungeachtet von Astana werden die Genfer Gespräche auf Einladung des UN-Sonderverm­ittlers für Syrien Staffan De Mistura am 10. Juli fortgesetz­t. Obwohl die im Krieg in Syrien involviert­en Regionalmä­chte Iran und Türkei sowie ein Teil der bewaffnete­n Gruppen und die syrische Regierung dem Deeskalati­onsprozess zugestimmt haben, hängt der Erfolg nicht zuletzt von verbindlic­hen Vereinbaru­ngen zwischen den Großmächte­n Russland und USA ab. Eine Möglichkei­t dafür wäre das Treffen zwischen den Präsidente­n Wladimir Putin und Donald Trump am Rande des G20Treffen­s in Hamburg.

Nachdem die Nachrichte­nagentur Reuters aus einem nicht-öffentlich­en Bericht der UN-Organisati­on zum Schutz vor Chemiewaff­en (OPCW) zitierte, wonach in Khan Sheikhoun Anfang April 2017 Sarin oder ein Sarin-ähnliches Gift eingesetzt worden sein soll, beschuldig­te die US-Administra­tion die syrische Regierung erneut, dafür verantwort­lich zu sein. Washington warnte zudem, man wisse von Vorbereitu­ngen der syrischen Regierung, erneut Giftgas einsetzen zu wollen. Sollte das geschehen, werde Damaskus einen »hohen Preis bezahlen«. Kurz darauf hieß es aus Kreisen von »Aktivisten«, die syrische Armee habe Chlorgas in Ain Tarma, östlich von Damaskus, eingesetzt. Das wurde sowohl von Damaskus als auch von Moskau als »falsch und gegenstand­slos« zurückgewi­esen. Beide Regierunge­n kritisiert­en auch den OPCW-Bericht als unglaubwür­dig, der auf Augenzeuge­nberichten und Zweitquell­en basiert. Aus Sicherheit­sgründen waren OPCW-Inspektore­n nicht selber nach Khan Sheikhoun gefahren. Der Ort wird von der Nusra Front kontrollie­rt.

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Foto: AFP/Louai Beshara Der Tahrir-Platz in Damaskus nach der Explosion am Sonntag

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