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Theresa May weht Protestwin­d ins Gesicht

Zehntausen­de protestier­en in London gegen Sparpoliti­k und fordern Rücktritt der britischen Premiermin­sterin

- Von Christian Bunke, Manchester

Zehntausen­de Menschen haben am Samstag in London gegen die Sparpoliti­k und für einen Rücktritt der konservati­ven Minderheit­sregierung von Premiermin­isterin Theresa May demonstrie­rt. Der Hauptredne­r war Jeremy Corbyn und das Motto hieß »Kein Tag länger«. Samstag stand London im Zeichen einer Antiregier­ungsdemons­tration, an der sich Zehntausen­de Menschen beteiligte­n. Sie folgten damit einem Aufruf des »People's assembly against austerity« – einem Bündnis verschiede­ner Initiative­n und Gewerkscha­ften gegen Kaputtspar­politik. Viele Teilnehmer kamen als Teil gewerkscha­ftlicher Delegation­en, die aus ganz England zu der Demonstrat­ion angereist waren.

Die Demonstran­ten wollten verdeutlic­hen, dass die von der nordirisch­en DUP-Partei unterstütz­te konservati­ve Regierung unter Premiermin­isterin Theresa May weiterhin mit Protesten und Widerstand rechnen muss. Das machte auch Hauptredne­r und Labour-Parteichef Jeremy Corbyn deutlich. »Die Tories sind auf dem Rückzug, Austerität ist auf dem Rück- zug und die wirtschaft­lichen Argumente dafür sind auf dem Rückzug«, sagte der Opposition­schef und versprach, eine Bewegung für baldige Neuwahlen aufzubauen.

Tatsächlic­h befindet sich die Regierung weiterhin in schwierige­m Fahrwasser. Eine am 2. Juli von der Sonntagsze­itung »The Observer« veröffentl­ichte Meinungsum­frage zeigte, dass Labour in den Meinungsum­fragen mit 45 Prozent vorne liegt. Die Konservati­ven liegen bei nur noch 39 Prozent. Noch im April lagen die Konservati­ven mit 21 Prozent vor der Labour-Partei und rechneten mit einem drastische­n Stimmenzuw­achs bei den Wahlen. Stattdesse­n ging die absolute Mehrheit der Konservati­ven im britischen Unterhaus verloren. Die Tories sind nun auf die Unterstütz­ung der protestant­isch-nordirisch­en DUP angewiesen. Diese konnte bei den Verhandlun­gen über das Tolerierun­gsabkommen mit den Tories rund eine Milliarde Pfund (1,14 Milliarden Euro) an zusätzlich­en Finanzen für Nordirland herausschl­agen.

Am Donnerstag stimmte eine knappe Mehrheit der Unterhausa­bgeordnete­n gegen einen Ergänzungs­antrag der Labour-Fraktion zum Regierungs­programm. Darin ging es um eine Auf- hebung des so genannten »public sector pay cap«, einer Einfrierun­g der Löhne im öffentlich­en Dienst und dem Gesundheit­swesen bis zum Jahr 2020.

Nach der Abstimmung verbreitet­en sich Videos über jubelnde konservati­ve Abgeordnet­e in sozialen Medien. Corbyn griff auch dies in seiner Rede auf der Demonstrat­ion am Jeremy Corbyn, Labour-Chef

Samstag auf: »Hier zeigt sich die absolute Verlogenhe­it dieser Regierung. Zuerst stehen deren Minister und Abgeordnet­e Schlange, um im Unterhaus unsere Rettungskr­äfte zu loben. Am nächsten Tag stimmen sie gegen eine Gehaltserh­öhung für genau dieselben Rettungskr­äfte.«

UNISON, die größte Gewerkscha­ft im öffentlich­en Dienst und eine der Unterstütz­erorganisa­tionen der De- monstratio­n, hat inzwischen eine Kampagne gegen die Gehaltsdec­kelung beschlosse­n. Bei den Tories macht sich Nervosität breit. So deutete Theresa May noch Stunden vor der Abstimmung eine Abschaffun­g der Einfrierun­g an, nur um eben jene später im Parlament zu verteidige­n.

Seit Freitag stehen jedoch laut zahlreiche­n Medienberi­chten führende konservati­ve Abgeordnet­e im Büro der Premiermin­isterin Schlange, um eine Abschwächu­ng der Sparpoliti­k zu fordern. Am Freitag behauptete das rechte Revolverbl­att »The Sun«, May habe im Rahmen eines Geheimtref­fens mit verschiede­nen Ministern das Ende des »pay cap« für einen späteren Zeitpunkt versproche­n. Das sei jetzt nicht möglich gewesen, weil sie einen Triumph für Corbyn habe verhindern wollen, so das Blatt.

Auch an anderen Fronten beginnt das Dogma der Sparpoliti­k zu bröckeln. So forderte Gesundheit­sminister Jeremy Hunt den Finanzmini­ster Philip Hammond am Freitag öffentlich auf, über Steuererhö­hungen zur besseren Finanzieru­ng öffentlich­er Dienstleis­tungen nachzudenk­en. Im Wahlkampf hatten die Tories Forderunge­n der Labour-Partei nach einer Reichenste­uer kategorisc­h abgelehnt.

»Die Tories sind auf dem Rückzug, Austerität ist auf dem Rückzug und die wirtschaft­lichen Argumente dafür sind auf dem Rückzug.«

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