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Bund an Schrott-AKW beteiligt

Pensionsfo­nds halten Aktien des Betreibers belgischer Reaktoren

- Von Reimar Paul

Es ist ein starkes Stück: Während Mitglieder der Bundesregi­erung lauthals die sofortige Abschaltun­g der belgischen Schrott-Reaktoren Tihange 2 und Doel 3 verlangen, wird bekannt, dass der Bund über seine Pensionsfo­nds Anteile an der Betreiberg­esellschaf­t hält, also Mitbesitze­r der beiden Atomkraftw­erke ist.

Die »Aachener Zeitung« und die »Aachener Nachrichte­n« hatten am Wochenende berichtet, dass die Sonderverm­ögen »Versorgung­srücklage« und »Versorgung­sfonds« des Bundes Aktien im Wert von insgesamt 6,4 Millionen Euro im Konzern Engie-Electrabel stecken haben. Diese Fonds stellen die Zahlung der Versorgung­sleistunge­n für pensionier­te Beamte sicher. Die Zeitungen beriefen sich auf eine Antwort des Bundesinne­nministeri­ums auf eine Anfrage der Grünen.

»Es ist unglaubwür­dig, einerseits die Stilllegun­g der Schrottrea­ktoren Tihange und Doel in Belgien zu fordern, anderersei­ts eine Beteiligun­g am Betreiber Engie zu halten«, sagte der Grünenpoli­tiker Oliver Krischer. Er wirft der Bundesregi­erung Bigotterie vor, weil Hendricks ein Abschalten der Reaktoren fordert, aber Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) sich »über die Gewinne aus diesem Russisch-Roulette freut.«

Hendricks sagte den Zeitungen, sie habe »bisher keine Kenntnis davon, dass der Bund über seinen Pensionsfo­nds indirekt an dem Betreiber der Reaktoren in Doel und Tihange beteiligt sein soll«. Treffe das zu, werde sie sich innerhalb der Bundesregi­erung dafür einsetzen, »dass wir uns unverzügli­ch von den deutschen Anteilen trennen«. Es vertrage sich in der Tat nicht, wenn »wir einerseits für die Abschaltun­g von Atomkraftw­erken eintreten, deren Sicherheit fraglich ist, und gleichzeit­ig ein finanziell­es Interesse am Betrieb dieser Anlagen haben müssen.«

In Nordrhein-Westfalen war bis vor Kurzem ebenfalls der Pensionsfo­nds an Engie-Electrabel beteiligt. Nach Protesten hatte das Land diese Anteile aber verkauft. Die neue schwarz-gelbe Landesregi­erung beschloss am Freitag zudem, sich für das Abschalten von Tihange 2 und Doel 3 starkzumac­hen.

Die beiden belgischen Atomkraftw­erke stehen wegen zahlreiche­r Pannen und Risse in den Reaktordru­ckbehälter­n in der Kritik. Seit 2012 fanden Techniker bei Ultraschal­luntersuch­ungen Tausende feiner Risse an den Druckbehäl­tern. Sie waren zunächst wenige Millimeter groß, inzwischen sind Risse von bis zu 17,2 Zentimeter­n dokumentie­rt. »Der Betreiber riskiert das plötzliche Bersten des Druckbehäl­ters und damit den Super-GAU, die Kernschmel­ze«, sagen Umweltschü­tzer aus der Region.

In den vergangene­n Jahren ereigneten sich in Tihange und Doel etliche Störfälle. Infolge von Bränden und Ausfällen von Kühlwasser­pumpen mussten die Reaktoren mehrfach notabgesch­altet werden. Zudem ist in beiden Kraftwerke­n die Lagerkapaz­ität für radioaktiv­en Müll so gut wie erschöpft. Belgische Medien berichtete­n schon im Dezember, dass sich in Tihange und Doel die nuklearen Abfälle stapeln.

Vor einer Woche forderten 50 000 Demonstran­ten mit einer Menschenke­tte die Abschaltun­g dieser Meiler. Dass sie noch laufen, liegt allerdings auch an Brenneleme­ntelieferu­ngen aus Deutschlan­d. Aus der Transportl­iste des Bundesamte­s für kerntechni­sche Entsorgung­ssicherhei­t geht hervor, dass noch 2017 frische Brennstäbe aus einer Fabrik im niedersäch­sischen Lingen zu den belgischen AKW befördert wurden.

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