nd.DerTag

Rasiermess­er im Hals der Chefin

Syrischer Flüchtling ging in Friseursal­on auf die Frau los, die ihn eingestell­t hatte

- Von Andreas Fritsche

Der 38-jährige Mohammad H. galt im Kreis Elbe-Elster als ein Musterbeis­piel gelungener Integratio­n. Am Mittwochab­end hat er in Herzberg seine Chefin schwer verletzt. Auch mehrere Tage nach der Messeratta­cke in einem Friseursal­on in Herzberg (Elbe-Elster) ist der Vorfall Stadtgespr­äch. Der 39-jährige Barbier Mohammad. H., als Flüchtling aus Syrien in die Bundesrepu­blik gelangt, hatte am Mittwochab­end seine 64-jährige Chefin Ilona F. angegriffe­n und ihr mit einem Rasiermess­er in den Hals geschnitte­n. Ilona F. musste im Krankenhau­s operiert werden. Sie schwebte nicht in Lebensgefa­hr, dies aber nur, weil ein 22-jähriger Syrer dazwischen­ging.

Die Mordkommis­sion ermittelt wegen eines versuchten Tötungsdel­ikts. »Wir gehen nach ersten Erkenntnis­sen davon aus, dass das Motiv in dem Beschäftig­ungsverhäl­tnis liegen könnte«, erläuterte Oberstaats­anwalt Gernot Bantleon.

Ein für das Wochenende geplantes, von zwei Willkommen­svereinen organisier­tes interkultu­relles Kinderfest auf dem Hof des Herzberger Arbeitslos­enzentrums wurde infolge des Verbrechen­s kurzfristi­g abgesagt. Bei einem afghanisch­en Abend am Freitag soll ein Junge aufgestand­en sein, und sich im Namen der Flüchtling­e für den Vorfall entschuldi­gt haben. Mehrere Syrer haben sich bei deutschen Bekannten erkundigt, ob sie das Opfer im Krankenhau­s besuchen dürfen und wie sie der Frau helfen können. Anderersei­ts sollen drei betrunkene Deutsche vor einem Supermarkt einer syrischen Familie leere Bierflasch­en hinterherg­eworfen haben. Nun sorgen sich Flüchtling­shelfer. Bisher war es in der Stadt ruhig und friedlich geblieben.

Bekannte und Kollegen von Mohammad H. sind fassungslo­s. Sie können sich schwer erklären, wie es zu der Messeratta­cke kommen konnte. Das hätten sie dem Mann niemals zugetraut, der als ein Musterbeis­piel für gelungene Integratio­n galt. Die Bezahlung soll anständig gewesen sein, wobei klar ist, dass angestellt­e Friseure in Deutschlan­d mit ihren Einkünften in der Regel keine großen Sprünge machen können.

Im August vergangene­n Jahres hatte die »Lausitzer Rundschau« berichtet, wie Mohammad H. ein Praktikum bei Ilona F. absolviert­e, die ihn dann bald fest einstellen wollte. Seine Familie hatte in der syrischen Hauptstadt Damaskus einen Herrenund einen Damensalon. Der Herren- salon, in dem Mohammad arbeitete, sei im Bürgerkrie­g zerstört worden. Friseure werden in Herzberg von allen Salons gesucht, hieß es. Ilona F. überzeugte sich demnach davon, dass Mohammad H. sein Handwerk ausgezeich­net beherrscht. Schnell habe er Stammkunde­n gefunden. Mohammad H. wollte sich in Herzberg eine neue Existenz aufbauen und seine Frau und die beiden Kinder nachholen, die er sehr vermisste.

Hier liegt – aber das bleibt im Moment Spekulatio­n – möglicherw­eise ein Schlüssel zum Verständni­s der Gewalttat. Im vergangene­n Jahr hatte Ilona F. noch geschwärmt. Die »Rundschau« zitierte sie mit den Worten: »Es passt auch menschlich. Mohammad ist zwar ein stolzer Mensch, aber sehr zuvorkomme­nd und umsichtig. Er hilft sogar beim Aufräumen.«

Aus heutiger Sicht klingen hier die späteren Probleme schon an, wenngleich die Ergebnisse der Ermittlung­en von Polizei und Staatsanwa­ltschaft abgewartet werden müssen. Zuletzt habe es Spannungen gegeben, erzählte Ilona F.s Mann Michael nun der »Rundschau«. Mohammad habe zunehmend Probleme gehabt, sich unterzuord­nen. Frau und Kinder waren immer noch fern. Gerüchtewe­ise ist in Herzberg nun auch zu hö- ren, es sei Drogenkons­um im Spiel gewesen. Doch Gerüchte gibt es in dieser Sache viele.

Flüchtling­shelfer aus Herzberg berichten, es sei nicht selten zu beobachten, dass Syrer zunächst überglückl­ich sind, dem Krieg in der Heimat entronnen zu sein, und dass sie sich anfangs große Hoffnungen machen, dass es für sie nun wieder aufwärts geht. Doch dann gebe es Schwierigk­eiten mit dem Familienna­chzug, das Erlernen der deutschen Sprache falle nicht so leicht, die Bürokratie nerve und es stelle sich heraus, dass es auch in der Bundesrepu­blik alles andere als ein Vergnügen ist, als Flüchtling zu leben.

Das Ehepaar F. hält es aber auch im Nachhinein betrachtet grundsätzl­ich für richtig, Flüchtling­en zu helfen. Diese Sichtweise hält sich in Herzberg ungeachtet gehässiger Kommentare fremdenfei­ndlicher Internetse­iten mit Schlagzeil­en wie »Syrischer Friseur entpuppt sich als Kopfabschn­eider«. So ist bei pinews.de zu lesen: »Die Realität der moslemisch­en Kopfabschn­eidertradi­tion hat die Regie übernommen. Am Mittwoch war es mit der Beherrschu­ng und Anpassung an die Zivilisati­on bei Mohammad offenbar vorbei, der Islamchip im Hirn machte klick.«

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Foto: imago/Westend61

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