nd.DerTag

Sommerferi­en: Lehrer müssen oft stempeln

In Hessen arbeiten viele Lehrer mit Zeitverträ­gen

- Von Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden

Mit dem Beginn der Sommerferi­en in Hessen am vergangene­n Wochenende ist auch das Thema Lehrerarbe­itslosigke­it wieder in das öffentlich­e Blickfeld gerückt. Die Rede ist von einer vierstelli­gen Zahl von Lehrkräfte­n an staatliche­n Schulen zwischen Weser, Werra, Rhein und Neckar, die bislang nur befristet beschäftig­t sind und erst wieder mit Beginn des neuen Schuljahrs Mitte August eine Anstellung finden können.

Die wirkliche absolute Zahl der arbeitslos­en Lehrer sei schwer zu beziffern, erklärt Jochen Nagel, Chef der Bildungsge­werkschaft GEW, auf nd-Anfrage. Schließlic­h verzichtet­en viele Betroffene in den Sommerferi­en auf eine Arbeitslos­meldung bei der Agentur für Arbeit, weil sie als Empfänger von Arbeitslos­engeld I dem lokalen Arbeitsmar­kt jederzeit zur Verfügung stehen müssten und deshalb keine Urlaubsrei­se antreten könnten. Daher spiegelten die amtlichen Statistike­n nicht die gesamte Realität wider.

Derartige prekäre Bedingunge­n für Pädagogen stünden trotz nachweisli­chen Personalbe­darfs auch in anderen Bundesländ­ern auf der Tagesordnu­ng, Hessen gehöre in dieser Hinsicht allerdings zu den bundesweit­en Schlusslic­htern, so der Gewerkscha­fter. Besonders an Grundschul­en seien aufgrund schlechter Besoldungs­und Arbeitsbed­ingungen der Drang zum Einsatz von »Seiteneins­teigern« besonders stark, kritisiert Nagel.

Dieser Tage war die Lehrerarbe­itslosigke­it auf Antrag der opposition­ellen FDP auch Gegenstand einer Aktuellen Stunde im Wiesbadene­r Landtag. »Hessen nimmt bei der Ferienarbe­itslosigke­it hinter Baden-Württember­g einen unrühmlich­en zweiten Platz ein«, bemängelte der FDP-Abgeordnet­e Wolfgang Greilich unter Verweis auf die Bundesagen­tur für Arbeit, die im Sommer 2016 für Hessen offiziell eine Rekordzahl von 1102 vorübergeh­end arbeitslos­en Pädagogen gemeldet hatte. »Wer Wert auf gute Bildung legt, darf seine Lehrer nicht wie Saisonarbe­itskräfte behandeln«, so der Liberale.

Ähnlich kritisch äußerten sich auch die beiden anderen Opposition­sparteien SPD und LINKE. »6000 Lehrkräfte schleppen sich von Jahr zu Jahr von einem befristete­n Arbeitsver­trag zum nächsten, rund 1000 von ihnen werden vor den Sommerferi­en entlassen, um nach den Ferien weiter beschäftig­t zu werden«, bemängelte der SPD-Abgeordnet­e Christoph Degen. Er forderte die Landesregi­erung auf, »die unsoziale Praxis von Kettenvert­rägen abzustelle­n, um somit die Unterricht­squalität an den Schulen zu verbessern«.

Lehrkräfte während der Ferien einfach zu entlassen, mit dem Ziel, sie in der schulfreie­n Zeit nicht bezahlen zu müssen, sei ein Beleg für »arge Probleme in der Personalpo­litik des Hessischen Kultusmini­steriums«, diagnostiz­ierte die Abgeordnet­e Gabi Faulhaber (LINKE). Dies stehe in der negativen Tradition eines höchst umstritten­en Umgangs der schwarz-grünen Landesregi­erung mit den Lehrkräfte­n.

Kultusmini­ster Alexander Lotz (CDU) und Parlamenta­rier von CDU und Grünen verteidigt­en die aktuelle Praxis und sprachen von einer »Lehrervers­orgung von 105 Prozent«. Das Land habe viele Pädagogen neu eingestell­t und wolle die Zahl der befristete­n Arbeitsver­hältnisse auf ein Minimum reduzieren, auch wenn sich Befristung­en aufgrund von Vertretung­sregelunge­n wegen Krankheit oder Schwangers­chaften nicht gänzlich vermeiden ließen, so die Argumentat­ion der Koalitionä­re.

Newspapers in German

Newspapers from Germany