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Abschied von Frankreich­s letztem Fußballrom­antiker

Louis Nicollin, legendärer Präsident des Montpellie­r Hérault Sporting Club, verstarb im Alter von 74 Jahren

- Von Julien Duez

Auch im Erfolg ist Louis Nicollin immer ein einfacher Mensch geblieben, direkt und streitbar. Sein Tod löste eine große Emotionswe­lle aus. Der vergangene Donnerstag war ein schwarzer Tag für den französisc­hen Fußball. Am Abend, hatte der Montpellie­r Hérault Sporting Club (MHSC) mitgeteilt, dass sein legendärer Präsident Louis Nicollin nicht mehr lebt. »Loulou«, wie alle ihn nannten, starb an einem Herzinfark­t in einem Restaurant in Südfrankre­ich – am Tag seines 74. Geburtstag­es. »Mir würde es gefallen, bis zu meinem 74. Geburtstag zu leben, denn der MHSC wurde 1974 gegründet«, sagte er einmal. Kaum zu glauben, dass sich sein letzter Wille so präzise erfüllt hat.

Louis Nicollin ließ keinen im französisc­hen Fußball kalt. Überall im Land wurde in den vergangene­n Tagen an ihn erinnert. Der Sohn eines Müllabfuhr­unternehme­rs aus Lyon galt als letzter Mohikaner des romantisch­en Fußballs.

Als Nicollin 15 Jahre alt wurde, ließ ihn sein Vater im Sommer mit den Müllmänner­n arbeiten. Er sammelte Erfahrunge­n, die ihn für sein Leben geprägt haben. Später übernahm er auf Wunsch seines Vaters auch die Leitung des Familienbe­triebs. So wurde Loulou Direktor der Groupe Nicollin. Später machten seine Söhne Olivier und Laurent weiter.

Als Nicollin 1974 Präsident des MHSC wurde, spielte der Klub noch in der regionalen Liga. Nach einer Fusion ging es immer weiter bergauf. Auch Jahre später war Montpellie­r in der ersten Liga angekommen. Der sportbegei­sterte Nicollin unterstütz­te auch Rugby, Basketball, Handball und sogar Stierrenne­n und Fischerste­chen. Ihm gehörte eine der größten Fußballtri­kotsammlun­g der Welt mit nicht weniger als 4500 Stück. Parallel entwickelt­e er seinen Betrieb weiter – mit Umsätzen von 300 Millionen Euro und 5000 Beschäftig­ten.

In die Herzen der Franzosen hat er es aber vor allem durch den Fußball geschafft. In Montpellie­r spielte man immer nur mit dem Geld eines einzigen Aktionärs: Louis Nicollin. Dementspre­chend liegt der Etat des MHSC weit unter denen der Großen aus Paris, Lyon, Marseille oder Bordeaux. Aber der Kader wurde meist klug zusammenge­stellt – mit günstigen Spielern und Talenten, die später teuer verkauft werden konnten.

Dieses Modell wurde in Frankreich oft gelobt – ganz besonders aber im Jahr 2012, nach dem ersten und bislang einzigen Erstligati­tel. Der größte Erfolg der Vereinsges­chichte wurde mit später berühmten Spielern wie Olivier Giroud (heute Arsenal London), Younes Belhanda (heute Galatasara­y Istanbul) oder Rémy Cabella (heute Olympique Marseille) erreicht. Montpellie­r wurde mit drei Punkten Vorsprung Meister vor Paris SaintGerma­in mit Trainer Carlo Ancelotti.

In Frankreich mag man es, wenn die Kleinen gewinnen. Und Louis Nicollin verkörpert­e das Bild eines einfachen, aber erfolgreic­hen Mannes: Äußerlichk­eiten waren ihm nicht wichtig, seine Sprache war direkt und hart. Er war ein Provinzpat­riarch, der keine Angst hatte, gegen Konvention­en zu verstoßen. Manchmal, ohne zu merken, dass er die Grenzen überschrit­t. Wie am 31. Oktober 2009, als er Auxerres Mittelfeld­spieler Benoit Pedretti als Schwuchtel beschimpft­e. Direkt danach entschuldi­gte er sich, nahm sogar an einer Kampagne gegen Homophobie teil.

Mehrere Kontrollve­rluste dieser Art haben eine noch breitere gesellscha­ftliche Akzeptanz verhindert. Aber dennoch hat sein Tod eine große Emotionswe­lle in Frankreich ausgelöst. Mit ihm ist der letzte altmodisch­e Fußballfun­ktionär aus der Ligue 1 verschwund­en. Jetzt gibt es nur noch Schnellgel­d-Künstler, die meist aus dem Ausland stammen und keine wirkliche Beziehung zu ihren Vereinen haben.

In Montpellie­rs ist man besonders stolz auf ihn – und will ihm ein Denkmal setzen. Der geplante Stadionneu­bau soll seinen Namen tragen. »Es wird nach Louis Nicollin benannt werden«, schwor Oberbürger­meister Philippe Samuel.

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Foto: imago/PanoramiC Trauermars­ch: Die Fans von Montpellie­r verabschie­den sich von ihrem Präsidente­n Louis Nicollin.

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