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Sechs Hüftschwün­ge weniger für Lamyai

Thailands Premier profiliert sich als Sittenwäch­ter / Drastische Strafen wegen Majestätsb­eleidigung­en

- Von Alfred Michaelis, Vientiane

Thailands Militärher­rschaft bezieht sich auch auf Sitte und Anstand. Sie soll offenbar auch länger andauern. Phrayuth Chan-O-Cha (63), Premiermin­ister der bei einem von ihm angeführte­n Putsch 2014 in Thailand an die Macht gekommenen Militärreg­ierung, sorgt sich um die ethischen Werte des Volkes. Die sieht er besonders durch die Sängerin Lamyai Hai Thongkham ernsthaft bedroht. Gleich dreimal bemängelte er in öffentlich­en Auftritten die seiner Meinung nach zu spärliche Bekleidung und aufreizend­e Bewegungen des Jungstars.

Prachakcha­i Navarat, Besitzer des Labels, das Lamyai vermarktet, kann die Aufregung nicht verstehen. Er versprach aber, die Zahl der beim Premiermin­ister Anstoß erregenden Hüftschwün­ge von neun auf drei zu verringern. Dabei allerdings blieb es nicht. Bei einem der folgenden Konzerte der Unterhaltu­ngstruppe marschiert­en Uniformier­te in den Saal, um die veränderte Kleiderord­nung und reduzierte Posendarbi­etung zu überprüfen. Prachakcha­i und Lamyai können froh sein über eine derartige Werbung. Sie verbessert­e ihren Bekannthei­tsgrad gegenüber Dutzenden vergleichb­aren EstradenTr­uppen, die vor allem durch den armen Nordosten tingeln. Ihre Auftritte haben Zulauf wie nie zuvor.

Bei Premier Phrayuth liegt das Problem offenbar tiefer. Er war schon in der Vergangenh­eit mit Kommentare­n aufgefalle­n, als er etwa nach der Ermordung eines britischen Touristenp­aares speziell das weibliche Opfer mit den Worten verhöhnte: »Werden sie in Thailand überleben, wenn sie Bikinis tragen? Nur wenn sie nicht hübsch sind.« Britischen Medien gegenüber entschuldi­gte er sich kurz danach für die Ent- gleisung. Bei anderer Gelegenhei­t verglich er knapp bekleidete Frauen mit »ausgewicke­lten Candys«.

Der Ruf nach Erhaltung einer – offenbar von ihm selbst definierte­n – »Thainess« ist nicht nur auf knappe Textilien bezogen. Zur nationalen Identität gehört ebenso die Verehrung des Königshaus­es, die von den Militärs strengsten­s überwacht wird. Erst Anfang Juni wurde ein 35-jähriger Mann von einem Militärtri­bunal zu 35 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er auf Facebook despektier­liche Eintragung­en über das Königshaus verbreitet haben soll.

Die Art der Mitteilung­en lässt sich öffentlich nicht nachvollzi­ehen, da jede Wiederholu­ng der Äußerungen eine erneute Anklage wegen Majestätsb­eleidigung nach sich zöge. Die 35 Jahre sind die längste bisher verhängte Haftstrafe wegen Majestätsb­eleidigung. Hätte der Mann seine Schuld nicht eingestand­en, wäre er für 70 Jahre eingesperr­t worden. Nach dem drastische­n Urteil war die Praxis vom UN-Hochkommis­sar für Menschenre­chte kritisiert worden. Unter der Militärreg­ierung habe sich die Zahl der einschlägi­gen Prozesse in den Jahren 2014 bis 2016 gegenüber 2011-2013 auf über 285 Fälle mehr als verdoppelt.

Die Thais werden sich wohl noch länger mit der Militärher­rschaft arrangiere­n müssen. Hatte Phrayuth anfangs von einem Jahr bis zu Wahlen und zur Einsetzung einer Zivilregie­rung gesprochen, wird als neuester Wahltermin nach mehreren unerfüllte­n Ankündigun­gen vage Ende 2018 genannt. Doch selbst das ist alles andere als sicher. In einer seiner vielzählig­en Fernsehans­prachen stellte der Premier vier eher rhetorisch­e Fragen, die die Regierungs­fähigkeit einer gewählten Führung von vornherein in Abrede stellen. Beobachter sehen dies als Zeichen dafür, dass sich die Militärreg­ierung für längere Zeit einrichtet.

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