nd.DerTag

Im freien Fall

Guido Speckmann über die Gründe für Macrons Absturz in Umfragen

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Eines ist dem französisc­hen Präsidente­n drei Monate nach seinem triumphale­n Wahlsieg nicht vorzuwerfe­n – dass er seine zentralen Wahlverspr­echen nicht umsetzt. Im Gegenteil: Emmanuel Macron geht sie mit höchster Eile an. Ein Teil des Gesetzes gegen Vetternwir­tschaft nahm diese Woche wichtige Hürden in beiden parlamenta­rischen Kammern. Ebenso segnete Nationalve­rsammlung wie Senat ab, dass der Arbeitsmar­kt liberalisi­ert werden kann – per Dekret, unter Ausschaltu­ng des Parlaments.

Doch vom Volk wird es Macron nicht gedankt. In Umfragen befindet sich der Präsident im freien Fall. Nur noch 36 Prozent der Franzosen sind zufrieden mit seiner Arbeit, einen Monat zuvor waren es noch sieben Punkte mehr. Gründe? Drei Ministerrü­cktritte wegen Korruption­sverdacht scheinen es nicht zu sein, sein Hang zum Autoritäre­n (»Ich möchte wie ein Jupiter regieren« ) schon eher. Hauptgrund aber ist, dass sich der als Soziallibe­raler apostrophi­erte als Neoliberal­er entpuppt. Insbesonde­re die Sozial- und Wirtschaft­spolitik zeigt, wes Geistes Kind Macron ist. Beim Wohngeld will er sparen, eine Sozialsteu­er erhöhen. Das trifft überpropor­tional Arme. Reiche und Konzerne indes werden mit Steuergesc­henken erfreut, die Finanztran­saktionsst­euer auf Eis gelegt. Und die Lohnabhäng­igen werden bald wissen, wie gründlich Macron ihr Rechte zerschlage­n will. Potenzial für einen fortgesetz­ten freien Fall.

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