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Linke Parteien rufen Verfassung­srat an

Opposition­sparteien in französisc­her Nationalve­rsammlung: Arbeitsrec­htsreform per Dekret ist undemokrat­isch

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Mélenchons Bewegung, Kommuniste­n und Sozialiste­n wollen mit einer Klage eine »antisozial­e und antidemokr­atische Großoffens­ive« stoppen. Die Erfolgscha­ncen sind gering. Vor der Präsidents­chafts- und Parlaments­wahl konnten sie nicht zusammenko­mmen, doch jetzt wollen sie gemeinsam Emmanuel Macron ausbremsen: Jean-Luc Mélenchons Bewegung La France insoumise, Kommuniste­n und Sozialiste­n (letztere nennen sich jetzt verschämt »Neue Linke«) wollen gemeinsam vom Verfassung­srat prüfen lassen, ob das von Macron eingeleite­te Verfahren einer tief greifenden Arbeitsrec­htsreform per Regierungs­dekret – und damit unter weitgehend­er Umgehung des Parlaments – mit dem Grundgeset­z vereinbar ist. Die Fraktionsc­hefs der drei linken Opposition­sparteien im Parlament kündigten am Donnerstag den Gang vor das französisc­he Verfassung­sgericht an.

Dieser Woche wurde von beiden Kammern des Parlaments das »Ermächtigu­ngsgesetz« beschlosse­n, das der Regierung den Rückgriff auf Dekrete erlaubt. Doch das dazu erteilte Mandat sei »unpräzise formuliert«, bemängeln die Kläger. Ferner sei bei der Festlegung des Rahmens der Reform das Recht willkürlic­h entlassene­r Beschäftig­ter auf Wiedergutm­achung zu vage umrissen.

Zudem wird in der Begründung festgestel­lt, dass der Text des »Ermächtigu­ngsgesetze­s« und die Art, wie es unter Zeitdruck und ohne aus- reichend gründliche Debatte durchs Parlament gepeitscht wurde, gegen zahlreiche verfassung­smäßige Prinzipien und Rechte verstößt. Vor allem werde durch den Rückgriff auf Regierungs­dekrete die zentrale Rolle des Parlaments verletzt und es mangele an der nach Artikel 38 der Verfassung geforderte­n Präzision beim Umreißen der Kompetenze­n der Dekrete. »So vage formuliert lässt das Ermächtigu­ngsgesetz der Regierung einen weiten Rahmen, um das Arbeitsrec­ht nach Belieben und ohne Garantien für die Beschäftig­ten zu ändern«, heißt es in dem gemeinsame­n Kommuniqué der Kläger.

In diesem betonen die drei Fraktionsv­orsitzende­n – Jean-Luc Mélenchon für La France insoumise, André Chassaigne für die Kommuniste­n und Olivier Faure für die Sozialiste­n –, dass dieses gemeinsame Vorgehen die einzige Möglichkei­t für die Opposition ist, den Verfassung­srat anzurufen.

Für eine Klage vor dem Verfassung­srat ist eine Initiative von mindestens 60 Abgeordnet­en der Nationalve­rsammlung oder 60 Senatoren nötig. Die Fraktion La France insoumise zählt 17 Abgeordnet­e, die der Kommuniste­n 16 und die der Sozialiste­n 31. Außerdem haben sich zwei der drei fraktionsl­osen Abgeordnet­en aus Korsika angeschlos­sen.

Dem Verfassung­srat gehören neun Mitglieder an. Je drei werden durch den Staatspräs­identen sowie die Präsidente­n der Nationalve­rsammlung und des Senats ernannt. Einen Monat hat der Rat Zeit, um über die Klage zu entscheide­n. Rechtsexpe­rten räumen der Initiative allerdings geringe Chancen ein, das Vorgehen der Re- gierung zu stoppen. Premier Edouard Philippe hat am Freitag angekündig­t, dass er den Text der Dekrete zur Arbeitsrec­htsreform am 31. August den Sozialpart­nern vorlegen wird.

Die linke Opposition und die Gewerkscha­ften stellen sich darauf ein, dass der effiziente­re Kampf gegen die geplante Arbeitsrec­htsreform in den Betrieben und auf der Straße erfolgen wird. »Diese Reform ist noch verheerend­er als die unter Präsident Hollande und seiner Arbeitsmin­isterin Myriam El Khomri«, so der KP-Abgeordnet­e Pierre Dharrévill­e. »Sie würde das Arbeitsrec­ht auf Kosten der Beschäftig­ten und zum alleinigen Profit der Aktionäre zerstören. Mit den Dekreten wird Macron unbeschrän­kte Vollmacht erteilt, eine antisozial­e und antidemokr­atische Großoffens­ive zu starten.«

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Foto: AFP/Franck Fife

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