Kongo-Brazzavilles Familiendemokratur
Bei den Parlamentswahlen schaffen viele Verwandte von Präsident Denis Sassou-Nguesso den Mandatsgewinn
Denis Sassou-Nguesso regiert Kongo-Brazzaville seit Jahrzehnten nahezu unangefochten. Bei den Parlamentswahlen heimste seine Liste nun wieder 90 von 151 Sitzen ein. Wahlbeteiligung: unbekannt. In der Republik Kongo, jener auf Äquatorhöhe liegenden Erdölrepublik, die man nicht mit dem Nachbarland »Demokratische Republik Kongo« (DRK) verwechseln sollte, ist Politik weitgehend eine Familiensache. Jedenfalls an der Spitze des 5,1 Millionen Einwohner zählenden Staates.
Nicht nur, dass dasselbe Familienoberhaupt – Denis Sassou Nguesso – seit rund 35 Jahren an der Macht ist, von den späten 1970er Jahren bis 1992 und danach erneut seit 1997. Auch für seinen Nachwuchs ist gesorgt.
Anschaulich wurde dies anlässlich der jüngsten Wahlen in dem autokratisch regierten Land dokumentiert. Am 16. und 30. Juli dieses Jahres wurden die 151 Sitze im Parlament neu besetzt und zudem über eintausend Sitze in den Kommunalund Bezirksparlamenten.
Es waren die ersten Wahlen seit dem Verfassungsputsch von Oktober 2015 und den nachfolgenden – nach verbreiteter Auffassung manipulierten – Präsidentschaftswahlen am 20. März 2016, bei denen der Familienpatriach sich im Amt des Staatsoberhaupts bestätigen ließ.
Laut damals geltender Verfassung hätte Denis Sassou Nguesso nicht mehr antreten dürfen, da dort nur zwei Amtsperioden vorgesehen waren sowie eine Altersbeschränkung von maximal 70 Jahren bei den Kandidaten. Denis Sassous Nguesso war bei seiner »Wiederwahl« bereits 72 Jahre alt. Um die Verfassung scherte er sich sowenig wie andere autoritär regierende Präsidenten im französischsprachigen Afrika zum Beispiel in Burundi, Dschibouti, Tschad oder der Demokratischen Republik Kongo. Sassou Nguesso ließ einfach die bisherige Verfassung umschreiben, um die Amtszeit- und Altersbeschränkung abzuschütteln. Die EU, die Vereinten Nationen und die Internationale Organisation französischsprachiger Länder verzichteten daraufhin auf die Entsendung von WahlbeobachterInnen, weil sie unter diesen Umständen eine freie, gleiche und geheime Wahl für ausgeschlossen hielten.
Eineinviertel Jahre später nun sitzt der Autokrat scheinbar fest im Sattel. Laut dem offiziellen Ergebnis, das in der Nacht vom 2. zum 3. August bekannt gegeben wurde, holte die Regierungspartei, die sich »Kongolesische Werktätigenpartei« (PCT) nennt, 90 von 151 Sitzen im Natio- nalparlament und sicherte sich dadurch locker die absolute Mehrheit.
Im neuen Parlament ist die Familie Sassou Nguesso reichlich vertreten: Sohnemann Denis Christel holte etwa rekordverdächtige 99,93 Prozent in der Stadt Oyo, wo die Familie ursprünglich herkommt. Aber dies war ihm nicht genug, er musste auch seine Freundin durchbringen, die »Ministerin zur Förderung der Frau« Inès Bertilli Ingani. Diese förderte bislang vor allem sich selbst und holte nun ei- nen Parlamentssitz im Stadtteil Moungali in der Hauptstadt Brazzaville.
Unterdessen steht fest, dass im Bezirk Pool, wo sowohl die politische Opposition als auch die bewaffnete aufständische Bewegung von Frédéric Bintsamou alias des »Pastors Ntumi« ihre Hochburg aufweisen, die Wahl in acht von vierzehn Wahlbezirken erst gar nicht stattfand. Hier in Pool verlor sogar eine Präsidententochter: Andrea Carole Sassou Nguesso fiel in ihrem Wahlkreis gegen einen Kandidaten der Oppositionspartei Union des démocrates humanistes (UDH), Fidèle Kanza, durch.
In der Hauptstadt Brazzaville war es in zwei Wahlkreisen (Poto-Poto und Ouenzé) zu Konflikten gekommen, weil Militärs ihre Stimmen abgaben, ohne Ausweispapiere vorzuzeigen – wohl, um die Wählerzahl der Regierungspartei nach oben zu treiben. In Poto-Poto wurden sie daraufhin von Einwohnern mit Steinen beworfen, woraufhin die Sicherheitskräfte in die Luft schossen, und in Ouenzé zog sich der Oppositionskandidat nach dem Auftritt der Soldaten zurück.
Weniger rekordverdächtig erscheint unterdessen die Wahlbeteiligung. Auf dieser Ebene war die Regierung vorsichtig und veröffentlichte bis zum Schluss keine Zahlen.
Das offizielle Frankreich brachte seine »Besorgnis« zum Ausdruck. Es forderte die Behörden der Republik Kongo dazu auf, so bald wie möglich die Wahl auch in den acht Bezirken abzuhalten, in der sie bisher nicht stattfinden konnte. Mehr Kritik wurde aus Paris nicht laut. Schließlich sind die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen der früheren Kolonialmacht zur Republik Kongo traditionell eng und damit seit Jahrzehnten zu Denis Sassou Nguesso.