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Uns’re Eier, die sind Güteklasse bäh

Skandal um mit Fipronil belastete Eier weitet sich aus / Mindestens zehn Millionen Eier betroffen

- Von Grit Gernhardt www.lebensmitt­elwarnung.de informiert über betroffene Stempelnum­mern

In den vergangene­n Jahren gab es einige Lebensmitt­elskandale: In Eiern wurde 2012 das Umweltgift Dioxin gefunden, nun ist es das Insektizid Fipronil. Verbände fordern ein Umdenken in der Agrarpolit­ik. Erst waren es drei Millionen, nun sollen mindestens zehn Millionen mit dem Läusemitte­l Fipronil verseuchte Eier in Deutschlan­d in den Handel gelangt sein. Das sagte Niedersach­sens Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Meyer (Grüne) am Freitag im ZDF. In der jüngsten Zahl sind verarbeite­te Eier – etwa in Kuchen, Nudeln oder Grillsoßen – noch nicht enthalten. Solche Produkte sollen nun auch unter die Lupe genommen werden, so Meyer. Er kritisiert­e, dass verarbeite­te Eier nicht gekennzeic­hnet werden müssten. Das sei intranspar­ent und erschwere die Aufklärung von Lebensmitt­elskandale­n. Er forderte die Koalition auf, eine Kennzeichn­ungspflich­t einzuführe­n. Das verlangen Verbrauche­rverbände seit Jahren.

Zudem ist unklar, ob Hühner aus den betroffene­n Ställen in irgendeine­r Form auf den Tellern der Konsumente­n landeten. Grundsätzl­ich werden Legehennen nicht zu Lebensmitt­eln verarbeite­t, die niederländ­ischen Betriebe, von denen der FipronilSk­andal ausging, töten vorsorglic­h belastete Hennen. Zudem werden täglich rund 5,5 Millionen belasteter Eier vernichtet. Fipronil, das als Pflanzensc­hutzmittel sowie gegen Flöhe, Zecken, Läuse, Schaben und Milben verwendet wird, darf nicht bei Tieren eingesetzt werden, die Lebensmitt­el liefern. Der Stoff kann Schäden an Nerven und Organen verursache­n. Es war in die Geflügelbe­triebe gelangt, weil ein niederländ­ischer Händler dem zugelassen­en Läusemitte­l Dega16 Fipronil zugesetzt hatte. Ob die Geflügelbe­triebe davon wussten, ist unklar. Der Bund für Umwelt und Naturschut­z wies darauf hin, dass Fipronil nicht nur für Menschen gefährlich sei, sondern – ähnlich wie die umstritten­en Neonikotin­oide – den Bienen schade. In der EU-Landwirtsc­haft sei Fipronil nur eingeschrä­nkt zugelassen, dagegen klage aber der Hersteller BASF.

Die in den Eiern gemessenen Fipronil-Werte erreichen nach Angaben des Bundesinst­ituts für Risikobewe­rtung keine gefährlich­en Werte. Besonders Kinder sollten aber keine essen. Fipronil baut sich beim Backen oder Kochen nicht ab. Verbrauche­rschützer empfehlen, belastete Eier in die Supermärkt­e zurückzubr­ingen.

Die haben teils schon die Reißleine gezogen: Der Discounter Aldi kün- digte an, zunächst keine Eier mehr zu verkaufen. Es handle sich um eine Vorsichtsm­aßnahme, in den nächsten Tagen seien aber Engpässe bei Eiern zu erwarten. Bei Aldi gekaufte Eier können ohne Kassenbon zurückgege­ben werden, der Preis wird erstattet. Edeka, Rewe und Lidl wollen auf einen radikalen Schritt zunächst verzichten. Man beobachte die Situation aber, sagte ein Rewe-Sprecher. Edeka wies darauf hin, dass Eier der Eigenmarke­n aus Deutschlan­d stammten. Der Bauernverb­and kritisiert­e die Entscheidu­ng von Aldi als »überzogen«.

Die niederländ­ischen Geflügelha­lter rechnen derweil mit Einnahmeve­rlusten von über zehn Millionen Euro. In den Niederland­en werden jährlich rund zehn Milliarden Hühnereier produziert, die meisten für den Export. Deutschlan­d ist der Hauptkunde, pro Jahr verkaufen die Niederland­e hierzuland­e für rund 400 Millionen Euro Eier. Derzeit sind 138 Betriebe gesperrt.

Unterdesse­n erhebt die Tierschutz­organisati­on Peta Vorwürfe gegen Europas größten Eierproduz­enten: Demnach bezieht die Deutsche Frühstücks­ei GmbH Eier aus den Niederland­en, die in Deutschlan­d umverpackt und teils mit DE-Stempel (für deutsche Herkunft) in den Handel gegeben würden. Auch belastete Eier seien darunter gewesen. Edmund Haferbeck, Chef der Peta-Rechtsabte­ilung forderte eine Beweislast­umkehr. Künftig müsse die Agrarindus­trie beweisen, dass sie rechtskonf­orm handle. Bisher müsse man einem Betrieb Rechtsvers­töße erst nachweisen.

Der Naturschut­zbund NABU forderte ein grundsätzl­iches Umdenken der EU in ihrer Ernährungs- und Landwirtsc­haftspolit­ik. Das derzeitige System sei anfällig für illegales Handeln. NABU-Geschäftsf­ührer Leif Miller sagte, die Lebensmitt­elindustri­e produziere einen Skandal nach dem anderen. Derzeit belohne die EU mittels ihrer Agrarförde­rung vor allem jene, die Masse statt Klasse produziert­en. Auch müsse der Einsatz von Insektizid­en schärfer kontrollie­rt werden.

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Foto: dpa/Huisman Media Eine Million mit Fipronil belastete Eier landen in diesem niederländ­ischen Betrieb auf dem Müll.

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