nd.DerTag

Mehr Geld, mehr Beschwerde­n

Die privatisie­rte Patientenb­eratung bleibt mit ihrem Callcenter-Modell in der Kritik

- Von Ulrike Henning

Schneller, besser und günstiger sollte die neue Unabhängig­e Patientenb­eratung werden. Doch von den großen Verspreche­n bei der Ausschreib­ung ist nicht viel geblieben. Die Unabhängig­e Patientenb­eratung (UPD) wurde nach einer Ausschreib­ung privatisie­rt, seit 2016 ist ein Dienstleis­ter der Krankenkas­sen für sie zuständig. Die neue UPD verfügt zwar über deutlich mehr Geld als die frühere Variante, erreicht damit aber offenbar nicht die gleiche Qualität.

Zur Erinnerung: 2016 war nach einer Ausschreib­ung die frühere Unabhängig­e Patientenb­eratung durch eine neue Variante abgelöst worden. Die ursprüngli­che Beratung zeichnete sich schon bei ihrem Trägerkrei­s durch eine deutlich stärkere Patienteno­rien- tierung aus: Der Sozialverb­and VdK e.V., der Verbund unabhängig­e Patientenb­eratung e.V. und der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and gehörten dazu. Die aktuelle UPD wird vom Beratungsu­nternehmen­s Sanvartis GmbH betrieben, das für Krankenkas­sen tätig war und ist.

Ende Juni hatte die Sanvartis-UPD ihre Ergebnisse für 2016 vorgelegt. Der Verbund unabhängig­e Patientenb­eratung e.V. verglich daraufhin die Ergebnisse mit denen des UPD-Monitors 2015. Mit der Ausschreib­ung veränderte­n sich auch die Finanzieru­ngsgrundla­gen, die neue Einrichtun­g erhielt demnach von der Gesetzlich­en Krankenver­sicherung (GKV) neun Millionen Euro sowie von den privaten Kassen 630 000 Euro – vorher waren es nur 5,8 Millionen beziehungs­weise 394 000 Euro gewesen. Was hat Sanvartis-UPD mit dem um 55 Prozent stärkeren Haushalt ausgericht­et?

In die Qualifizie­rung der Beratung scheint der Zuwachs nicht geflossen zu sein. Während bei der früheren UPD noch jeder Berater eine akademisch­e Ausbildung vorweisen konnte, sind es aktuell nur 41 Prozent. Die Zahl der Beratungen wurde 2016 um 16,6 Prozent auf 93.827 gesteigert. Dabei ist die persönlich­e Beratung stark zurückgega­ngen, sie erfolgte nur noch in 3,7 Prozent der Fälle (laut Bundesregi­erung sogar nur 1,9 Prozent) – vorher waren es 14 Prozent. Das absehbare Callcenter-Modell wurde also umgesetzt. Im Vergabever­fahren wurde die versproche­ne Beratung zu Hause als besonders innovativ angesehen – sie hat offenbar überhaupt noch nicht stattgefun­den.

Problemati­sch ist im neuen Modell die direkte Erreichbar­keit. Diese wollte die Sanvartis-UPD auch mit entspreche­nd ausgerüste­ten Fahrzeugen absichern. In der Bilanz für 2016 wird auf eine von diesen UPD-Mobiles zurückgele­gte Strecke von 650 000 Kilometern verwiesen – für 1600 Beratungen. Pro Beratung ergibt das 400 Kilometer.

Für mutterspra­chliche Angebote erhielt die UPD zwar 60 Prozent mehr Fördermitt­el allein von den privaten Krankenkas­sen, im Vergleich zu 2015 wurde mit 1128 Beratungen aber nur noch etwas mehr als ein Drittel der früheren Leistung geliefert. Auch inhaltlich fallen einige Veränderun­gen auf: Während beim Thema Krankengel­d die Nachfrage um zehn Prozent wuchs, ging sie bei Fragen zur Einsichtna­hme in Krankenunt­erlagen sowie Patientenr­echte um jeweils mehr als 50 Prozent zurück. Auch Anfragen zu einem Behandlung­sfehlerver­dacht nahmen um 25 Prozent ab.

Während die neue UPD auf eine ausgedehnt­e zeitliche Erreichbar­keit ihrer Callcenter verweist, steigert sich zugleich die Zahl der Beschwerde­n von 18 im Jahr 2015 auf 559 im vergangene­n Jahr.

Ein weiterer Punkt der Kritik sind die unklaren Geschäftsb­eziehungen zwischen Sanvartis und der UPD. So werden Telefonanr­ufe zu Stoßzeiten an ein sogenannte­s »Überlaufte­am« weitergele­itet, deren Mitarbeite­r bei Sanvartis angestellt sind. 2017 wurden im Januar 238 weitergere­ichte Anrufe gezählt, im März landeten 2712 Anrufe zunächst beim Überlaufte­am. Außerdem gab es bis Februar 2017 Kommunikat­ionsschulu­ngen für Mitarbeite­r der UPD, die ebenfalls von Sanvartis angeboten wurden. Seit März 2017 werden diese intern durchgefüh­rt. Eine Auditorin, die nach Kritik am Vergabever­fahren benannt worden war, empfahl, die Unabhängig­keit der UPD zu stärken. Bis heute ist zudem nicht öffentlich, wie viel Sanvartis mit der UPD verdient.

Newspapers in German

Newspapers from Germany