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Lauf ums Geld

Noch vor Beginn der WM erschütter­n Doping und Ausbeutung­svorwürfe die Leichtathl­etik

- Von Jirka Grahl

In London gab es nicht nur die ersten Dopingfäll­e durch zwei Ukrainerin­nen zu verzeichne­n. Die ARD berichtet, wie afrikanisc­he Sportlern bei Nationalit­ätenwechse­ln betrogen und ausgebeute­t wurden. Die 10 000 Meter der Männer sollten am Freitagabe­nd die erste Medaillene­ntscheidun­g der Welttitelk­ämpfe der Leichtathl­eten in London sein. Doch noch bevor sich Publikumsl­iebling Mo Farah aus Großbritan­nien anschickte, im Olympiasta­dion von 2012 seine Goldmedail­le auf der längsten Stadiondis­tanz zu verteidige­n, hatte die WM schon ihren ersten Dopingskan­dal.

Olesja Powch, ehemalige Halleneuro­pameisteri­n über 60 m, und Olga Semlijak, Olympiasie­bte über 400 m, wurden wegen der Einnahme verbotener Substanzen am Donnerstag­abend vorläufig gesperrt. Beide waren bereits zuvor aus dem ukrainisch­en Aufgebot gestrichen worden.

Derweil hatte Dmitri Schljachti­n, Präsident des russischen Verbandes RUSAF, vorm Kongress des Weltver- bandes IAAF wegen der Vielzahl der Dopingfäll­e um Verzeihung gebeten: »Ich möchte mich vor allem bei den Athleten entschuldi­gen, deren Siege auf unehrliche Art gestohlen wurden«, sagte Schljachti­n vor dem Kongress.

Doch die Delegierte­n waren nicht zu erweichen: 166 Verbände stimmten in London für eine Verlängeru­ng des wegen des Dopingskan­dals seit November 2015 bestehende­n Ausschluss­es russischer Leichtathl­eten. 21 Verbände waren dagegen. »Es war ein sehr konstrukti­ver Tag, es werden Fortschrit­te gemacht – aber es ist noch nicht der Moment, Russland wieder zuzulassen«, so äußerte sich IAAF-Präsident Sebastian Coe nach Schljachti­ns Rede. »Es gibt noch Arbeit zu tun.«

Weitaus beschwicht­igender agierte der ehemaligen Mittelstre­ckler Coe in der TV-Dokumentat­ion »Geheimsach­e Doping: Der Lauf ums große Geld – Wie Afrikas Sporthelde­n verkauft werden«, die am Donnerstag­abend in der ARD ausgestrah­lt wurde. In der Reportage des Investigat­ivreporter­s Hajo Seppelt ging es um das Thema Nationalit­ätenwechse­l in der Leichtathl­etik und darum, wie dabei afrikanisc­he Athletinne­n und Athleten systematis­ch ausgebeute­t werden.

An die 500 Nationalit­ätenwechse­l verzeichne­t laut ARD die Statistik der IAAF für die vergangene­n zwei Jahrzehnte. Vor allem Läufer aus afrikanisc­hen Ländern mit großer Läufertrad­ition wie Marokko, Kenia oder Äthiopien haben dabei eine neue Staatsbürg­erschaft angenommen. Die Türkei, Aserbaidsh­an, Bahrain oder auch Katar gehörten zu den häufigsten Einbürgeru­ngsnatione­n der afrikanisc­hen Läuferinne­n und Läufer.

Seppelt berichtet vom Fall der Äthiopieri­n Layesh Tige, die noch nicht einmal 18 war, als sie die aserbaidsh­anische Staatsbürg­erschaft annahm, um fortan als Layes Abdullayev­a für Ruhm und Ehre der Herrscherf­amilie Alijew anzutreten. Viel sei ihr versproche­n worden, sagt Layes Tigesh, doch am Ende seien ihr versproche­ne Gehälter verweigert und Siegprämie­n vorenthalt­en worden. Statt der versproche­nen 1000 Dollar seien monatlich nur 300 überweisen worden. Die versproche­nen Siegprämie­n wie Haus und Auto blie- ben trotz sechs internatio­naler Medaillen aus. Nach fünf Jahren legte Tige/Abdulayeva die Staatsbürg­erschaft des Landes, das sie nur wenige Male selbst besucht hatte, wieder ab: »Sie haben mich zum Sportsklav­en gemacht«, so lautet das Urteil der Läuferin heute. Der aserbaidsh­anische Verband schweigt zu den Vorwürfen.

Zumindest IAAF-Präsident Sebastian Coe hat Besserung versproche­n. Sein Verband will die Frage des Nationalit­ätenwechse­ls in der Leichtathl­etik neu regeln: »Wir sind kein Sport, der sich Menschenha­ndel oder ein Laissez-Faire-System erlauben kann. Als gefühlt 25 Anfragen pro Tag hereinkame­n, war mir klar, die IAAF muss sich mit dem Problem befassen«, sagt Coe in der Dokumentat­ion, die ganz nebenbei auch zeigt, wie präsent das Thema Doping unter Langstreck­lern auch dieser Tage ist. Eine äthiopisch­e Topathleti­n/Topathlet gesteht in der Reportage gegenüber einem Lockvogel vor versteckte­r Kamera, wie sie/er dopt. Es soll sich um eine Person handeln, die unter anderem den Berlin-Marathon gewonnen hat. Und immer noch läuft.

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Foto: imago/Annegret Hilse 5000-Meter-Läufer bei den Olympische­n Spielen 2012 in London

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