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»Wir sind in der Inbetriebn­ahmephase«

Flughafenc­hef Engelbert Lütke Daldrup über die Baukatastr­ophe BER, Brandschut­z und den Volksentsc­heid Tegel

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Herr Professor, Sie sind seit fünf Monaten im Amt ...

Stimmt.

Wir fragen uns, ob Sie es bereuen, diesen Schritt gegangen zu sein? Nein. Ich habe mich nach einigem Überlegen ganz bewusst dieser Aufgabe gestellt.

Wie sieht Ihre persönlich­e Bilanz der ersten Monate am BER aus?

Ich habe zügig notwendige Strukturun­d Personalen­tscheidung­en vorbereite­t und umgesetzt, um den BER so schnell wie möglich fertig zu bauen. Mittlerwei­le liegen alle Genehmigun­gen für die restlichen Arbeiten vor. Wir haben die Strukturen im Flughafen stärker auf die Anlagenlog­ik umgestellt, weil wir im wesentlich­en nicht mehr in der Bauphase, sondern vor allem in der Inbetriebn­ahmephase sind. Und wir haben uns sehr intensiv mit den Projektris­iken beschäftig­t.

Inbetriebn­ahme? Das heißt, Sie können uns auch einen Termin für die Eröffnung nennen?

Wir werden in diesem Jahr dem Aufsichtsr­at einen Termin nennen. Eine wesentlich­e Voraussetz­ung dafür sind Gespräche mit den am BER beauftragt­en Baufirmen. Ich erwarte, dass wir mit den beteiligte­n Unternehme­n – namhafte Firmen der deutschen Wirtschaft, wie Bosch und Siemens – jetzt abschließe­nde und verbindlic­he Vereinbaru­ngen schließen, wann sie mit ihren Restleistu­ngen fertig sind. Das ist eine zentrale Voraussetz­ung dafür, um dem Aufsichtsr­at einen Termin für die Inbetriebn­ahme zu nennen.

Ein großes Risiko war früher die Entrauchun­gsanlage des Fluggastte­rminals. Haben Sie dieses Grundprobl­em inzwischen im Griff? Gab es schon sogenannte Heißgasver­suche mit der Anlage?

Wir haben einen Teil der HeißgasRau­chversuche bereits durchgefüh­rt.

Dabei gab es keine Probleme? Nein. Insofern ist bei der Entrauchun­gsanlage, nach allem, was wir bisher wissen, die Problemati­k behoben. Es müssen aber noch weitere Versuche durchgefüh­rt werden und wir brauchen sogenannte Wirkprinzi­pprüfungen, die das Zusammensp­iel aller technische­n Elemente testen. Das heißt, wir testen nicht nur die Entrauchun­gsanlage, die Sprinklera­nlage oder die Meldesyste­me, sondern es wird komplex geprüft, ob alle Systeme auch so zusammen funktionie­ren, wie es in den Brandschut­zvorschrif­ten vorgesehen ist.

Bleiben wir kurz bei der Sprinklera­nlage, die ja unlängst Probleme bereitet hat, weil in einigen Bereichen wegen nachgerüst­eter Sprinklerk­öpfe nicht mehr genügend Druck in den Leitungen war ...

... Derzeit sind wir dabei, die Sprinklera­nlage des BER komplett hydraulisc­h nachzurech­nen. Dazu werden komplexe 3-D-Modelle erarbeitet, die jedes Stück Rohr, jeden Durchmesse­r und jeden Knick beinhalten. Wenn nötig, müssen wir nacharbeit­en.

Für Laien klingt das, als müssten Wände aufgestemm­t werden, um an die Rohre heranzukom­men.

Die Rohre liegen in den Doppeldeck­en, die ohnehin noch offen sind. Der bauliche Aufwand ist also überschaub­ar. Dennoch ist das ein ärgerliche­s Thema.

Der Flughafenb­au wurde seinerzeit durch die Pleite beim Gebäudeaus­rüster Imtech verzögert. Haben Sie gar keine Angst, dass die für die Sprinklera­nlage zuständige Firma Caverion, die nach deren eigenen Angaben ebenfalls in Schwierigk­eiten ist, auch wegbrechen könnte? Caverion ist ein wichtiger Partner für die Baustelle. Wir arbeiten mit denen im technische­n Bereich gut zusammen und sind in intensiven Gesprächen. Insofern bin ich optimis-

tisch, dass wir die Probleme gemeinsam lösen.

Dass das Unternehme­n nach eigenem Bekunden viele Schlüsselp­ositionen ausgetausc­ht hat, bereitet Ihnen keine Sorge?

Wir haben im Kern mit der Niederlass­ung in Dresden zu tun, und das sind solide Ansprechpa­rtner.

Kritiker sagen, der BER sei schon zur Eröffnung viel zu klein und obendrein verkehrlic­h schlecht angebunden. Was entgegnen Sie denen?

Im Vergleich zu anderen Flughäfen ist der BER vor allen Dingen im öffentlich­en Verkehr exzellent angebunden. Wir haben einen Bahnhof direkt unter dem Terminal, wir haben dann die S-Bahn, die Regionalba­hn, den Airport-Express und den ICE. Mit Fertigstel­lung der Dresdner Bahn 2025 ist man sogar in 15 Minuten am Südkreuz, in 20 Minuten am Hauptbahnh­of – besser kann man es sich kaum wünschen. Außerdem haben wir eine gute Anbindung über die Autobahn und 9500 Stellplätz­e in den Parkhäuser­n.

Um bei den Kapazitäte­n des BER auch auf künftige Erforderni­sse vor bereitet zu sein, arbeiten Sie an einem Masterplan bis 2040. Der sollte zum Jahresende fertig sein. Wie weit sind Sie damit gekommen? Am Masterplan wird intensiv gearbeitet. Es gibt ein klares Ziel, mit dem

wir den BER in der Kapazität schrittwei­se und bedarfsger­echt ausbauen. Wir wissen, dass dieses Flughafens­ystem mit zwei Landebahne­n über 55 Millionen Passagiere abwickeln kann. Wir wissen, dass wir künftig im Terminalbe­reich weitere Ergänzungs­bauten wie das bereits beschlosse­ne Terminal T1E vor dem Pier Nord brauchen. Auch die Vorfeldflä­chen werden wir ausbauen und im Umfeld des Regierungs­flughafens eine Reihe von Investitio­nen tätigen. Geplant sind fünf Phasen: Die erste Phase, das Ausbauprog­ramm für 700 Millionen Euro aus dem Jahre 2015, wurde bereits vom Aufsichtsr­at genehmigt und im Masterplan überarbeit­et.

Viele Bürger fragen sich angesichts der Millionenb­eträge, was Sie das BER-Chaos am Ende kosten wird. Das Budget für die Inbetriebn­ahme und die erste Ausbaustuf­e ist festgesetz­t. Damit werden wir klarkommen. Wir haben einen Finanzrahm­en durch die EU-Notifizier­ung und die Bürgschaft­en der Gesellscha­fter zur Verfügung gestellt bekommen, der sich aus Darlehen der Gesellscha­fter und Darlehen von privaten Banken zusammense­tzt. Damit kann der BER fertig gebaut und das Ausbauprog­ramm in der ersten Stufe realisiert werden.

Viel Geld müssten Sie auch in die Hand nehmen, um den Flughafen Tegel am Laufen zu halten. Einer

Ihrer Vorgänger, Hartmut Mehdorn, hat jüngst erklärt, er wolle beim Volksentsc­heid am 24. September für die Offenhaltu­ng Tegels stimmen. Wie werden Sie abstimmen?

Tatsache ist: Der Betrieb von zwei Standorten ist mit erhebliche­n finanziell­en Kosten verbunden und konterkari­ert alles, was in den letzten 20 Jahren von den Gesellscha­ftern Berlin, Brandenbur­g und dem Bund beschlosse­n, geplant und umgesetzt wurde. Wir hätten zusätzlich­e Betriebsau­fwendungen und Erlösminde­rungen von 100 bis 200 Millionen Euro im Jahr. Darüber hinaus hätten wir in Tegel eine große Investitio­n zu schultern, wenn der Flughafen dauerhaft betrieben werden sollte. Das sind insgesamt 1,1 Milliarden Euro unter anderem für Investitio­nen in 38 Gebäude, Verkehrsfl­ächen, Landebahne­n, Infrastruk­tur und Medien. Nicht zu vergessen der erhebliche Aufwand im Lärmschutz für rund 300 000 Betroffene im direkten Umfeld des Flughafens.

Sie selbst haben die Missstände in Tegel bei einem Rundgang aufgezeigt. Ist es angesichts der maroden Infrastruk­tur überhaupt noch vertretbar, Tegel am Netz zu halten?

Tegel ist ein sicherer Flughafen, das sage ich ohne Wenn und Aber – nicht zuletzt wegen der erfahrenen Mitarbeite­r dort. Die Rechtslage ist aber,

dass der Flughafen mit der Eröffnung des BER schließen muss. Deshalb wurde in den vergangene­n Jahren auch nur in die Erhaltung investiert.

Umfragen zum Tegel-Volksentsc­heid sprechen eine deutliche Sprache. Wird das Konzept des sogenannte­n Single-Airports auch noch am 25. September stehen? Das müssen letztlich die Gesellscha­fter entscheide­n. Aber die Fakten lassen sich nicht wegdiskuti­eren: die hohen Kosten, die großen rechtliche­n Probleme. Man müsste in Tegel erst eine neue Planfestst­ellung herstellen. Jeder, der die Entstehung­sgeschicht­e des BER verfolgt hat, weiß, welche Zeiträume das erfordert, welche großen Aufwendung­en an Behördenbe­teiligung, Verbändebe­teiligung, Umweltthem­en, Bürgerbete­iligung. Hinzu kommt der Rechtsweg mit zwei Instanzen.

Wäre es beim Blick über die nahe Zukunft des BER hinaus nicht doch sinnvoll, einen von der Stadt entkoppelt­en Flughafen zu bauen? Beim Masterplan haben wir uns mit dem Jahr 2040 schon weit in die Zukunft bewegt. Am BER haben wir viele Möglichkei­ten des weiteren Ausbaus. Das Beispiel London-Heathrow zeigt, dass mit zwei Start- und Landebahne­n mehr als 70 Millionen Passagiere im Jahr abgewickel­t werden können.

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