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Das Wasser steht bis an die Ähren

Nach wiederholt­em Starkregen befürchten Bauern in der Prignitz starke Ernteeinbu­ßen

- Von Philip Blees

Viele Felder in der östlichen Prignitz sind überschwem­mt. Landwirte bangen um die Ernte, wenn sie nicht längst Opfer des Regens ist. Das Land sichert den Betroffene­n Hilfe zu und will sich mit ihnen beraten. »Von Ernten ist hier keine Rede«, sagt Landwirt Hellmuth Riestock, während er auf einem schmalen Weg zu seinen Feldern fährt. Guckt man sich um, so sieht man, was er meint: Die Maisfelder werden langsam braun, da die Wurzeln der Pflanzen verfaulen. Sie vertrockne­n im Wasser. Das Getreide auf den Feldern fällt immer mehr in sich zusammen. Am glücklichs­ten darüber sind wohl die »Erntehelfe­r«, wie sie Hellmuth Riestock, Geschäftsf­ührer der Rhinmilch GmbH, mit einem Schmunzeln nennt. Es handelt sich um eine Schar Gänse, die sich nun vom verrottend­en Roggen ernährt. Hier kann nur noch Sarkasmus helfen. Das Wasser, das die Felder überschwem­mt hat, sieht man am deutlichst­en, wenn man zu den Grünflache­n hinübersch­aut. Dass hier Futter für seine Kühe wachsen soll, ist schwer zu begreifen. Die Äcker sehen eher aus wie eine Seenlandsc­haft in Mecklenbur­g. Erste Möwen lassen sich nieder.

Der Landwirt aus Fehrbellin (Ostprignit­z-Ruppin) ist jedoch nicht allein mit diesem Problem: »Wir sind nicht die einzigen Betroffene­n. Alle Landwirte hier sind es mehr oder weniger.« Rund ein Drittel seiner Ernte wird er verlieren. Das entspricht einem Verlust von 400 000 Euro bei Getreide und Mais zum Verkauf und von Futtermitt­el im Wert von 600 000 Euro, die nachgekauf­t werden müssen. Er wird also in dieser Saison eine Million Euro weniger Umsatz machen können. Auf ungefähr 1000 Hektar stehen seine Felder – an manchen Stellen knietief – unter Wasser. »Mit technische­n Mitteln ist dem nicht mehr beizukomme­n«, sagt der Geschäftsf­ührer der Rhinmilch GmbH, die 86 Personen beschäftig­t und normalerwe­ise einen Jahresumsa­tz von 13 Millionen Euro verzeichne­t. Die technische­n Geräte, etwa die Mähdresche­r, sinken auf den nassen Böden einfach ein. Wirtschaft­lich gesehen lohnt es sich nicht, Reparature­n am Gerät in Kauf zu nehmen, um trotzdem zu ernten. Die würden mehr kosten, als mit dem Getreide Gewinn gemacht werden kann.

Das Agrarunter­nehmen, das auch 1700 Rinder hält, hat schon zwei harte Jahre hinter sich. Genau wie andere Betriebe schrieb Hellmuth Riestock keine schwarzen Zahlen. Der Hauptgrund dafür war der niedrige Milchpreis. Zwei Jahre lang kostete der Liter deutlich weniger als die Produktion. In Brandenbur­g haben deswegen 90 Betriebe die Milchprodu­ktion aufgegeben. Dieses Jahr stabilisie­rte sich der Preis bei 36 Cent und ist so wieder profitabel.

Nun hat der dauernde Starkregen seine Ernte vermiest. In den letzten vier Wochen fielen 400 Liter Regen auf einen Quadratmet­er seiner Felder. Zu Höchstzeit­en waren es 180 Liter in zwei Tagen. Zum Vergleich: Im Durchschni­tt fallen in der Region 500 bis 600 Liter im ganzen Jahr. Das »ist schon ein Ausnahmefa­ll«, sagt Sebastian Scholze, der Pressespre­cher des Landesbaue­rnverbande­s (LBV), dazu.

Erst habe der Regen Hellmuth Riestock und die anderen Landwirte gefreut. »Es hat aber einfach nicht aufgehört«, sagt der Landwirt. Der Boden konnte dann kein Wasser mehr aufnehmen und es kam zu Überstauun­g. Er macht dafür die Wasser- und Bodenverbä­nde der Region und des Landes verantwort­lich, denn die hätten nicht rechtzeiti­g reagiert. Bei besserer Kommunikat­ion hätte es die Möglichkei­t gegeben, das Wasser abzuleiten. Havel und Elbe hätten die Wassermass­en aufnehmen können und so die Felder – wenigstens teilweise – entlastet.

Da die regionalen Verbände alle ihre eigenen Haushalte haben, ist es schwierig, ein lokales Problem überregion­al zu lösen. »Der Weg ist zu lang«, kritisiert Hellmuth Riestock die Kommunikat­ion mit den Verbänden. Es seien Absprachen nicht eingehalte­n worden. Der zuständige Wasserund Bodenverba­nd Rhin-/Havelluch hat auf Nachfrage des »nd« zu den Vorwürfen bis Redaktions­schluss nicht Stellung genommen.

Das Land Brandenbur­g hat den geschädigt­en Landwirtsc­haftsbetri­eben Hilfe zugesicher­t. In einer Mitteilung erklärte Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD): »Die Landesregi­erung wird die Landwirte nicht allein lassen.« Die Schäden an den Feldern sollen so schnell wie möglich dokumentie­rt werden.

Der LBV hat die »Hilfe gegen das Desaster« begrüßt. »Das wird besonders den Landwirten helfen, denen unter Umständen ein Totalausfa­ll der Ernte droht« sagt Henrik Wendorff, Präsident des Verbands.

Für Hellmuth Riestock könnte das heißen, dass sein Unternehme­n seinen Ernteverlu­st doch noch ausgleiche­n kann. Viel mehr würde er sich allerdings wünschen, dass die Arbeit in der Landwirtsc­haft von der Gesellscha­ft mehr wahrgenomm­en wird. Lebensmitt­el seien für viele Menschen halt »einfach da«.

Auch Verbandssp­recher Scholze sieht hier Handlungsb­edarf. »Es gibt wenig Verständni­s für die Arbeit«, sagte er dem »nd«. Das liege auch an Veränderun­gen in der sozialen Struktur. Statt 50 Prozent wie in den 1950er Jahren, arbeiten heute viel weniger Menschen in der Landwirtsc­haft. Es gibt ein großes Nachwuchsp­roblem. Bei Rhinmilch können die drei Ausbildung­sstellen nicht besetzt werden. Es gab nur einen Bewerber.

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Foto: nd/Ulli Winkler Landwirt Hellmuth Riestock zeigt die Schäden an seinen Feldern.

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