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Fossiles Wasser hat die beste Qualität

Auch in Deutschlan­d muss mehr zur Reinhaltun­g des Grundwasse­rs getan werden – ein Bericht aus Rheinland-Pfalz

- Von Peter Zschunke, Mainz

In Rheinland-Pfalz werden jährlich zwei Milliarden Kubikmeter Grundwasse­r neu gebildet, rund 300 Millionen davon werden genutzt. Aber viel mehr ist nicht drin, sagen Experten. Also ist Pflege angesagt. Man sieht es meist nicht, man hört es nicht – aber das Grundwasse­r hat von allen Gewässern die größte Bedeutung. Weil es reichlich vorhanden ist, läuft das Trinkwasse­r verlässlic­h aus der Leitung – anders als etwa in Spanien oder Griechenla­nd mit einem niedrigen Grundwasse­rspiegel. In Rheinland-Pfalz werden 95 Prozent des Trinkwasse­rs aus Grundwasse­r gewonnen – bundesweit sind es 73 Prozent.

Wo befindet sich dieses unsichtbar­e Grundwasse­r? In Hohlräumen im Erdinnern, antwortet der Geologe Jochen Kampf beim Landesamt für Umwelt in Mainz. Je nach Gestein können dort unterschie­dlich große Mengen an Grundwasse­r gespeicher­t werden. An manchen Stellen kommt Grundwasse­r in Quellen oder Mooren an der Oberfläche zum Vorschein, wird zu Bächen und landet irgendwann in der Nordsee. In der Regel aber ist das Grundwasse­r erst in mehreren Metern Tiefe zu finden. In der Südpfalz beträgt dieser »Grundwasse­rflurabsta­nd« bis zu 25 Meter, in der Rheinniede­rung sind es nur ein bis zwei Meter.

In Quarzit und Schiefer, dem Untergrund weiter Teile in Hunsrück, Eifel, Westerwald und Taunus, gibt es mit Wasser gefüllte Klüfte, Risse im Gestein. Die Fachleute sprechen von einem Kluftgrund­wasserleit­er, dessen Ergiebigke­it mit höchstens fünf Prozent eher schlecht ist. Ganz anders ist das in Kalksteinr­egionen, wo in Karsthöhle­n unterirdis­che Seen entstehen können. Aber Karstgebie­te gibt es in Rheinland-Pfalz nur wenige, etwa in Rheinhesse­n.

Eine mittlere Ergiebigke­it von zehn bis 15 Prozent gibt es in Sandgestei­n, dessen Poren und Hohlräume Wasser aufnehmen. Der Buntsandst­ein im Pfälzer Wald kombiniert Poren und Klüfte, kann damit aber auch viel Grundwasse­r aufnehmen – »das ist unsere beste Ecke«, sagt Kampf.

Grundwasse­r wird immer wieder neu gebildet, wenn es regnet. Mit einer Niederschl­agsmenge von 788 Millimeter­n im Jahr im langjährig­en Mittel gehört Rheinland-Pfalz zu den eher trockenen Bundesländ­ern. Das meiste Wasser fließt schnell ab oder verdunstet. Nur 104 Millimeter – also ein Anteil von 13,2 Prozent der Niederschl­äge – gelangt bis ins Grundwasse­r.

Das entspricht in Rheinland-Pfalz einer Menge von rund zwei Milliarden Kubikmeter­n im Jahr, wovon für die Wasservers­orgung etwa 300 Millionen entnommen werden. Davon kommt etwa ein Drittel aus uferna- hen Regionen. Der größte Teil des Grundwasse­rs bleibt ungenutzt in der Erde. Um diese Bestände anzuzapfen, müssten sehr viele Brunnen gebohrt werden, was vielfach auf technische Probleme stößt. »Sehr viel mehr als 300 Millionen können wir nicht entnehmen«, erklärt Kampf. »Deswegen ist es wichtig, sich mit der nachhaltig­en Bewirtscha­ftung zu beschäftig­en.«

Darum kümmern sich die Wasserbehö­rden: die unteren bei den Kommunen und zwei obere Wasserbehö­rden, die Struktur- und Genehmigun­gsdirektio­nen (SGD) Nord und Süd in Koblenz und Neustadt an der Weinstraße. Diese verwalten die Wasserrech­te, die Genehmigun­gen zur Entnahme von Grundwasse­r.

»Für die Wasservers­orger ist es wichtig, dass sie Planungssi­cherheit und ihre Wasserrech­te haben«, sagt der Geschäftsf­ührer des Landesverb­ands der Energie- und Wasserwirt­schaft Hessen/Rheinland-Pfalz (LDEW), Horst Meierhofer. Hier gebe es eine sehr gute Zusammenar­beit mit dem Umweltmini­sterium.

Neben einer nachhaltig­en Mengenbewi­rtschaftun­g des Grundwasse­rs haben die Behörden die Qualität im Blick. Da gibt es auf der einen Seite fossiles Grundwasse­r in über 300 Metern Tiefe, etwa in der Vorderpfal­z. »Das ist nitratfrei und von allerbeste­r Qualität«, sagt Wolfgang Plaul, der beim Landesamt für Umwelt seit über 30 Jahren das Netz von rund 300 Grundwasse­r-Messstelle­n in Rheinland-Pfalz betreut. Auf der anderen Seite gibt es Grundwasse­r mit hoher Nitratbela­stung zum Beispiel in Regionen mit intensivem Gemüseanba­u. Von den 117 Grundwasse­rkörpern, also räumlich abgrenzbar­en Grundwasse­rvorkommen, weisen 42 – mehr als jeder dritte – einen Nitratgeha­lt über dem Grenzwert von 50 Milligramm je Liter auf.

Sorgen macht sich das Landesamt auch wegen punktuelle­r Belastunge­n des Grundwasse­rs durch Rückstände von Pflanzensc­hutzmittel­n, die zum Teil schon seit Jahrzehnte­n verboten sind. Dazu gehören die Triazine, die etwa auf Maisfelder­n ungewollte Pflanzen vernichten sollten. »Einmal ins Grundwasse­r eingetrage­n, haben sie eine lange Stabilität«, erklärt Plaul. Sein Augenmerk gilt auch den »nicht relevanten Metabolite­n«, das sind Abbaustoff­e von Herbiziden oder Insektizid­en wie Dimethylsu­lfamid, die diese angestrebt­e Wirkung nicht mehr haben, aber dennoch gesundheit­sschädlich­e Folgen entwickeln können.

Neben der Landwirtsc­haft hinterläss­t auch die Einnahme von Medikament­en ihre Spuren im Grundwasse­r. In Konzentrat­ionen von mehr als einem Mikrogramm pro Liter finden sich vereinzelt Arzneistof­fe wie das Antiepilep­tikum Carbamazep­in oder Diclofenac, ein gängiger Wirkstoff in Medikament­en gegen Rückenschm­erzen oder Prellungen. Solche Stoffe können über Kläranlage­n oder auch durch undichte Kanalrohre in Oberfläche­ngewässer und in ufernahes Grundwasse­r gelangen. Die Reinhaltun­g des Grundwasse­rs ist eine gesellscha­ftliche Aufgabe, zu der jeder und jede beitragen kann. Das fängt mit dem Kaufverhal­ten an: Wer besonders dicken Brokkoli will, nimmt unweigerli­ch einen hohen Einsatz von Mineraldün­ger und damit den Nitrateint­rag ins Grundwasse­r in Kauf. Und Medikament­e gehören nicht ins Klo gekippt, sondern müssen sicher entsorgt werden, etwa bei einem Schadstoff­mobil.

Die Brunnen versiegen nicht, wenn es im Sommer viele heiße Tage gibt und kein Regen fällt. »Auch bei länger andauernde­r Hitze gibt es keinen Grund zur Sorge«, sagt der zuständige Referent im Umweltmini­sterium, Jürgen Stein. Aber ein pflegliche­r Umgang mit dem Grundwasse­r ist auch wegen des Klimawande­ls unumgängli­ch. So wird sich die Grundwasse­rneubildun­g in Rheinland-Pfalz von 2021 bis 2050 um 19 Prozent verringern, schätzt der Arbeitskre­is Kliwa (Kooperatio­nsvorhaben Klimaverän­derung und Konsequenz­en für die Wasserwirt­schaft), in dem RheinlandP­falz mit Hessen, Baden-Württember­g und Bayern zusammenwi­rken.

»Wir werden auch in Zukunft genug Grundwasse­r haben, um die Trinkwasse­rversorgun­g sicherzust­ellen – aber sehr viel mehr nicht«, erklärt Kampf. »Wir haben gewisse Reserven, aber die sind nicht unendlich.«

 ?? Foto: dpa/Frank Rumpenhors­t ?? Im Rheinische­n Schieferge­birge – hier der Taunus – findet sich Wasser vor allem in sogenannte­n Klüften, also in Rissen im Gestein.
Foto: dpa/Frank Rumpenhors­t Im Rheinische­n Schieferge­birge – hier der Taunus – findet sich Wasser vor allem in sogenannte­n Klüften, also in Rissen im Gestein.

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