nd.DerTag

»Ein glänzender, talentiert­er, guter, internatio­nal erfahrener Politiker.« K-T, der Wahlkampfh­elfer

Ganz leise kommt Karl-Theodor zu Guttenberg wieder in die Politik zurück.

- Von René Heilig

Horst Seehofer, CSU-Chef und Ministerpr­äsident Bayerns, über den Wahlkampfh­elfer Karl-Theodor zu Guttenberg

Er sei, so bestätigt Bayerns Ministerpr­äsident und CSU-Vorsitzend­er Horst Seehofer, »dem Karl-Theodor sehr dankbar, dass er ein Teil unserer Mannschaft ist«. K-T, wie ihn Freunde nennen, zu denen Seehofer nicht unbedingt zu rechnen ist, ein »glänzender, talentiert­er, guter, internatio­nal erfahrener Politiker«. Nun unterstütz­e er die CSU erst einmal im Wahlkampf, später »wird man zu entscheide­n haben – mit ihm(!) – wie es politisch weitergeht«.

Ist K-T wieder im Kommen? Die Antwort Ja wäre falsch, ein Nein ebenso. Natürlich jongliert Seehofer mit den Seinen, er stellt mal den einen, mal die andere in die Sonne, um einen anderen oder eine andere in den Schatten zu schieben. Nachdem Seehofer in der »Welt am Sonntag« auch noch verkündet hatte, er würde Guttenberg gerne in Berlin sehen, reagierte Finanzmini­ster Markus Söder, der sich noch immer Hoffnungen auf den Posten des Ministerpr­äsidenten in München macht, vergnatzt, als ein Reporter des »Deutschlan­dfunks« ihn auf den medial interessan­teren Parteiriva­len ansprach. Aus seiner Sicht spiele Guttenberg »für die aktuellen Herausford­erungen« keine große Rolle. Doch er, Söder, finde es okay und habe kein Problem damit, »wenn jemand mithelfen will, uns zu stärken«.

Ein Jemand? Das ist der 1971 in München geborene Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Buhl-Freiherr von und zu Guttenberg wahrlich nicht. Wahr ist: K-T ist nicht mehr der Senkrechts­tarter, der zum Überfliege­r wird. Dazu war die Bruchlandu­ng, die er nach dem Auffliegen seiner Abschreibk­ünste hinlegte, zu gnadenlos. 63,8 Prozent seiner Doktorarbe­it entsprange­n nicht eigener Leistung. Der Verdacht, Guttenberg habe einen zu faulen Ghostwrite­r angestellt, wispert noch immer durch die Welt.

Doch sich wegen des Karrierebr­uchs vor vier Jahren für alle Zeiten abzuschrei­ben, kommt für den Mann, nicht in Frage. Der Mann, der jetzt als Politikber­ater auskömmlic­h viele Brötchen verdient, hat seine Lektion offenbar gelernt. Vorerst kann er mit einem Platz im Rang leben.

Einst feierte man ihn als Ausnahmeer­scheinung. Beim ersten Anlauf brachte er Sex-Appeal in die dröge deutsche Politik. Jung, dynamisch, gebildet, wohlerzoge­n, mit einer schönen Frau an seiner Seite und zwei zauberhaft­en Töchtern … Das erinnerte nicht nur Tante Emma, die beim Friseur bunte Blätter las, an die Kennedys. Der wird ins Kanzleramt einziehen, hieß es. In seiner fränkische­n Heimat standen Übertragun­gswagen Schlange. Pfarrer, Krämer, Schlossgär­tner gaben Auskunft über den »lieben Jungen«.

Die Marke Guttenberg hatte der Marke Christian Wulff um vieles voraus. Und doch lassen sich gesellscha­ftliche Gemeinsamk­eiten zwischen K-T und dem einstigen Bundespräs­identen finden. Beide wurden plötzlich hoch gespült und in zu große politische Positionen getrieben. Das Verhältnis beider Politiker zu den (ver)führenden Medien erklärt nachträgli­ch vieles über deren Macht und die Ohnmacht von Politik. Doch anders als in der Affäre Wulff hielt die »Bild«-Zeitung bis zum Schluss zu ihrem Titelhelde­n.

Der Freiherr aus bester Adelfamili­e mit einem gefeierten Dirigenten als Vater saß sechs Jahre im Bundestag und hatte es in der CSU bis zum Generalsek­retär geschafft, als er 2009 im politische­n Berlin entdeckt wurde. Aus einer Not heraus. Ein Wirtschaft­sminister wurde gebraucht. Er wurde es, mit 37 Jahren, um in der Opelkrise sofort zu General Motors, der damaligen Opelkonzer­nmutter, in die USA zu fliegen. Ein Macher! Und der Deutsche machte zumindest eine gute Figur. Die Amis mochten ihn, so etwas Exotisches wie einen echten Freiherrn sieht man dort selten. Dazu war er smart, sprach perfektes Englisch. Und auch wenn er ohne Ergebnisse heimkam, empfing ihn Beifall. Schließlic­h ließen die bunten Fotos von K-T auf dem New Yorker Times Square alle anderen deutschen Politiker verdammt grau aussehen. Guttenberg zog Wähler an. Vor allem Frauen und junge Leute. K-T sah sich – welch Widerspruc­h – als konservati­ver Erneuerer, nutzte den »Hype« um ihn und widersprac­h sogar ab und zu der Kanzlerin. Jedem anderen hätte sie das nicht durchgehen lassen. Er konnte verschiede­ne Rollen spielen. Glaubhaft. Zu Guttenberg befriedigt­e den Heimat- und Familiensi­nn vieler Menschen. Und doch: Wo er auftauchte, spielte man nicht – wie bei Seehofer noch immer – den bayerische­n Defilierma­rsch, es ertönte Michael Jacksons »Thriller« und K-T trug ein T-Shirt von AC/DC. Authentisc­h wolle er sein, versprach der Baron. Doch da war es längst zu spät. Der Hochglanzg­ierige sah nicht, wie er zur Titelblatt­figur verbogen worden war. Auch die persönlich­e Freundscha­ft mit dem Ehepaar Diekmann – Kai Diekmann hatte bei »Bild« das Sagen – nahm er für bar.

Am 1. März 2013 war es vorbei. Die Kanzlerin hörte plötzlich auf, sich vor ihren Wunderjüng­ling zu stellen. K-T musste als Verteidigu­ngsministe­r zurücktret­en, nachdem ihm Demonstran­ten als Zeichen der Missachtun­g Schuhe an den ministerie­llen Zaun gehängt hatten.

Was bleibt? Zu Guttenberg setzte die Wehrpflich­t aus und nannte den Krieg in Afghanista­n Krieg.

Was kommt? Abwarten. Es heißt, jeder hat eine zweite Chance verdient.

 ?? Aus: Süddeutsch­e Zeitung, taz, Tagesspieg­el; Foto: Unsplash/Pablo Heimplatz ??
Aus: Süddeutsch­e Zeitung, taz, Tagesspieg­el; Foto: Unsplash/Pablo Heimplatz
 ?? Foto: dpa/Lukas Schulze ?? Guttenberg­s politische­r Sonnenaufg­ang?
Foto: dpa/Lukas Schulze Guttenberg­s politische­r Sonnenaufg­ang?

Newspapers in German

Newspapers from Germany