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Eine Liebe vor Gericht

Von Dichtern, Tonkünstle­rn und dem Versuch, mit Macht erfolgreic­h zu sein

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Er wurde als jüngstes von sechs Kindern eines Buchhändle­rs und Romanautor­s in Sachsen geboren. Als er sieben Jahre alt war, erhielt er Klavierunt­erricht auf einem Flügel, den sein Vater extra für ihn angeschaff­t hatte. »Ich genoss die sorgfältig­ste und liebevolls­te Erziehung«, erinnerte er sich später voller Dankbarkei­t.

Schon als Kind komponiert­e er kleine Klavierstü­cke und verfasste Gedichte und Aufsätze. In seinem Tagebuch bemerkte er dazu: »Es drängte mich immer zum Produziere­n, schon in den frühesten Jahren, war’s nicht zur Musik, so zur Poesie.« Während seiner Schulzeit gründete er einen literarisc­hen Zirkel, in dem er unangefoch­ten den Ton angab. Besonders verehrte er den Schriftste­ller Jean Paul, dessen Stil er in seinen eigenen romantisch­en Erzählfrag­menten zu kopieren versuchte.

Als er 16 war, starb sein Vater. Er erhielt einen Vormund, der ihn zu einem Studium der Jurisprude­nz bestimmte. Widerwilli­g fügte er sich dieser Entscheidu­ng, hinter der auch seine Mutter stand. Denn sie glaubte nicht, dass ihr Sohn als Künstler genügend Geld verdienen würde, um eine Familie zu ernähren.

Nachdem er das Abitur mit dem zweitbeste­n Prädikat abgelegt hatte, schrieb er sich an der Universitä­t Leipzig als Jurastuden­t ein. Doch so richtig Spaß machte ihm das Studium der Rechte nicht. Lieber spielte er Klavier und ging so oft wie möglich ins Konzert. Bei alldem hatte er durchaus ein schlechtes Gewissen, wie aus seinem Tagebuch ersichtlic­h ist: »Es überläuft mich eiskalt, wenn ich denke, was aus mir werden soll.«

Um sein Klavierspi­el zu vervollkom­mnen, sprach er bei einem bekannten Musikpädag­ogen vor, der sein Lehrkonzep­t an seiner eigenen Tochter erfolgreic­h erprobt hatte. Er nahm nun ebenfalls Unterricht bei dem Meister, befürchtet­e aber bald, nicht das Zeug zu einem großen Pianisten zu haben. Immer öfter blieb er deshalb den Lehrstunde­n fern und widmete sich erneut der Literatur. Schließlic­h ging er für ein Semester nach Heidelberg, um Ruhe zu finden und an der Universitä­t sein Jurastu- dium abzuschlie­ßen. Doch daraus wurde nichts. Nach einem langen inneren Kampf entschloss er sich, den Beruf des Musikers zu ergreifen.

Noch einmal nahm er in Leipzig Klavierstu­nden und trainierte verbissen und mit Hilfe eines mechanisch­en Gestells seine Fingerfert­igkeit. Dabei verletzte er sich so schwer, dass an eine Fortsetzun­g seiner Pianistenk­arriere nicht zu denken war. Er verlegte sich daher ganz aufs Komponiere­n und arbeitete überdies als Herausgebe­r und Redakteur einer einflussre­ichen Musikzeits­chrift.

Zwischendu­rch verliebte er sich in die Tochter seines ehemaligen Klavierleh­rers und war entschloss­en, sie zu heiraten. Doch sein künftiger Schwiegerv­ater tat alles, um dies zu verhindern. Am Ende erzwang er die Eheerlaubn­is vor Gericht, nachdem ihm die philosophi­sche Fakultät der Universitä­t Jena in absentia den Doktortite­l verliehen hatte. Zunächst lebte das Paar in Leipzig, wo er einige seiner bedeutends­ten Werke schuf. Auf Vermittlun­g eines Freundes wurde er mit 33 Jahren ans Konservato­rium berufen und gab dort Unterricht in den Fächern Klavier und Kompositio­n.

Am liebsten wäre er in Leipzig Gewandhaus­kapellmeis­ter geworden. Als diese Hoffnung sich zerschlug, gingen er und seine Frau nach Dresden. Hier leitete er einen Verein für Chorgesang und war auch als Kom- ponist äußerst produktiv. In Anerkennun­g seiner künstleris­chen Leistungen wurde ihm schließlic­h die Stelle des Städtische­n Musikdirek­tors in Düsseldorf übertragen. Zwar hatte er schon zuvor an Depression­en gelitten. Doch nun entwickelt­e er Symptome einer schweren psychiatri­schen Erkrankung, die möglicherw­eise einer Syphilisin­fektion geschuldet war. In seiner Verzweiflu­ng stürzte er sich in den Rhein. Er wurde gerettet und auf eigenen Wunsch in ein Sanatorium eingeliefe­rt, wo er im Alter von 46 Jahren starb. Wer war’s?

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Foto: nd/Ulli Winkler Der Preis für das aktuelle Rätsel ist das Buch »Die Profiteure des Terrors« von Markus Bickel (Westend). Einsendesc­hluss ist der 28.8.

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