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Neue Lebensform gefunden

Japanische Forscher haben eine völlig neue Form von Mikroben entdeckt, die weder atmen noch eigenständ­ig Energie produziere­n können.

- Von Susanne Steffen, Tokio

Der Lebensraum der winzigen Mikroben könnte ungemütlic­her kaum sein. In dem Quellwasse­r im nordkalifo­rnischen The Cedars gibt es weder Kohlenstof­f noch Stickstoff oder Phosphor – Stoffe, die die meisten bisher bekannten Lebewesen zum Leben brauchen. Hinzu kommt, dass das Wasser extrem alkalisch ist – ein weiterer, gemeinhin äußerst lebensfein­dlicher Faktor. Dennoch konnten die Forscher in der Quelle genetische Spuren von insgesamt 27 verschiede­nen Mikroben nachweisen.

Die kleinste Mikrobe, der die Forscher den Namen OD1 gaben, ist nur knapp ein Zehntel so groß wie die Bakterien im menschlich­en Darm und verfügt über lediglich 400 Gene. Noch nie wurde ein Lebewesen gefunden, dessen Überleben nicht von anderen Organismen abhängt, das mit weniger genetische­r Informatio­n auskommt.

Das Erstaunlic­hste aber ist, dass die Forscher kein Gen finden konnten, das für die Atmung oder die Energiegew­innung verantwort­lich wäre. Auch bei gut zwei Dritteln der anderen Mikroben konnten die Forscher diese bislang als lebensnotw­endig erachteten Gene nicht ausfindig machen.

Wie diese Mikroben ohne eigene Energiepro­duktion überleben, ist den Wissenscha­ftlern noch ein Rätsel. »Wir sind total baff, dass wir Lebewesen gefunden haben, die offenbar durch uns bislang völlig unbekannte Mechanisme­n überleben«, erklärte Forschungs­leiterin Shino Suzuki von der Japan Agency for Marine Earth Science and Technology (Jamstec) in japanische­n Medien. »Jetzt wollen wir herausfind­en, woher sie ihre Energie bekommen«, so Suzuki weiter.

Eine erste Vermutung haben die Forscher bereits. Möglicherw­eise erhalten diese Mikroorgan­ismen ihre Energie direkt in Form von Elektronen von den Felsen, an denen sie haften. Noch ist diese These nicht bewiesen, aber Suzuki ist sicher, dass diese Lebewesen »vollkommen aus der Norm fallen«.

Möglicherw­eise können diese Mikroben auch Aufschluss darüber geben, wie das Leben auf der Erde entstanden ist. In der Anfangszei­t der Erde herrschten so ziemlich überall ähnlich lebensfein­dliche Umstände wie in der kalifornis­chen Quelle, die aus Gestein, das ursprüngli­ch aus dem Erdmantel stammt, entspringt. Ferner hoffen die Forscher auch auf neue Erkenntnis­se über mögliche Lebensform­en im Weltall, etwa auf dem Mars.

Nach gegenwärti­gem Wissenssta­nd wird angenommen, dass das Gestein des Erdmantels vor etwa vier Milliarden Jahren durch eine chemische Reaktion mit Wasser zur Entstehung von Wasserstof­f und anderen Elementen geführt hat, welche als Nahrungsgr­undlage für spätere Mikroben gelten. Doch da das Umfeld extrem alkalisch und der zur Atmung nötige Sauerstoff äußerst knapp war, ist die Frage, wie genau das Leben auf der Erde entstanden ist, noch immer ungelöst.

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