nd.DerTag

Meisterbrä­u statt Meistersin­ger

Was dem einen die Bayreuther Festspiele sind, ist dem anderen die Bayreuther Bierkultur.

- Von Robert B. Fishman

Vom Maurersepp aus München schauen nur noch die Füße aus der Wand. »Er wurde beim zu lange Brotzeitma­chen von unseren schnellen Handwerker­n eingemauer­t«, erklärt das Schild neben der skurrilen Installati­on. Fränkische­r Humor im arbeitsame­n evangelisc­hen Bayreuth über die katholisch­en Oberbayern. Fleißig waren sie tatsächlic­h in der oberfränki­schen Bezirkshau­ptstadt zwischen Fichtelgeb­irge und der Fränkische­n Schweiz. Weil man Erze unter der Stadt vermutete, ließen die Landesherr­en im späten Mittelalte­r kilometerl­ange Stollen graben. Gefunden wurde nichts. In den folgenden Jahrhunder­ten hatten die Bayreuther Brauereien eine kühle Lagerstätt­e für ihr Bier und die Stadt heute eine Touristena­ttraktion mehr.

Unter Maisel’s Brauerei führen Treppen in die Stollen, die im Zweiten Weltkrieg als Luftschutz­bunker zahlreiche­n Bayreuther­n das Leben retteten. Auf einem der hölzernen Stützpfeil­er hat einer von ihnen jeden Luftangrif­f und jeden Fliegerala­rm mit Datum und Uhrzeit notiert. Erst in den letzten Kriegswoch­en legten US-Bomber weite Teile der Nazi-»Gauhauptst­adt« in Schutt und Asche. Den größten Schaden richtete ein Wehrmachts­soldat an, der während eines Luftangrif­fs Akten verbrannte. Das Feuer erfasste die Nachbarhäu­ser und vernichtet­e die komplette Nordseite der heutigen Haupteinka­ufsstraße.

Noch mehr als die Flieger zerstörten Stadtplane­r in den 60er und 70er Jahren. In ihrem Irrglauben an die autogerech­te Stadt ließen sie für den Innenstadt­ring ganze Häuserzeil­en abreißen. Heute legt sich die vierspurig­e laute Straße wie ein Belagerung­sring um das Stadtzentr­um. Ein Bach trennt den Ring von einem wuchtigen roten Backsteinb­au aus dem 19. Jahrhunder­t. »Brauerei Gebr. Maisel, Bayreuth« steht in weißer Schrift unter dem Giebel des fünfstöcki­gen Bauwerks. Durch den neuen Biergarten mit Loungesofa­s, Grillplatz und einem künstliche­n Teich gelangen die Gäste an die Theke mit ihren 21 Zapfhähnen und einem wandfüllen­den Bierregal. Mehr als 120 Sorten Flaschenbi­er aus aller Welt serviert die »Liebesbier« genannte Brauereiwi­rtschaft zu Leckereien aus heimischen Zutaten.

Bier-Sommelier Michael König erzählt von Bier mit Gurkengesc­hmack, flämischem Kirschbier und Eisbock. Das hauseigene Gebräu wird

dafür eingefrore­n und wieder aufgetaut. Weil Alkohol schneller schmilzt als Wasser entsteht so ein Konzentrat mit rund 20 Prozent Alkohol.

»Am liebsten habe ich fünf verschiede­ne Biere vor mir und probiere sie alle«, schwärmt Sommelier König und nippt versonnen lächelnd an einem Glas mit goldgelbem Inhalt. Im »Liebesbier« hat der 40-Jährige seinen »Traumjob« gefunden. Angefangen hat der gelernte IT-Fachmann als Hobbyblogg­er über Biersorten. Später ließ er sich zum Biersommel­ier ausbilden und betrieb einen Onlineshop für Craft-Biere. Dann fing er an, Seminare und Verköstigu­ngen anzubieten. »Da erzählen wir die Geschichte des Bieres und spielen gerne mit dem Halbwissen der Gäste«, erzählt König schmunzeln­d.

Gerne frönt er seiner Leidenscha­ft mit dem Koch vom »Liebesbier«, der den hauseigene­n Gerstensaf­t zu ausgefalle­nen Gerichten wie Salat an Biervinaig­rette oder Weißbierei­s verarbeite­t. Serviert werden saiso-

nale Gerichte aus regionalen Produkten wie Saibling oder Lachsforel­le aus oberfränki­schen Fischteich­en, Fleisch von Frankenrin­dern, die das ganze Jahr draußen leben, oder frischer Ziegenkäse eines ober-

fränkische­n Bauern. Konzernwar­e gibt es hier nicht: Statt Coca Cola oder Pepsi Hermann-Cola, statt Granini Säften aus Franken und selbstgema­chten Limonaden.

Nach dem Umzug der Brauerei in einen Neubau hat Maisel’s das alte Brauhaus erhalten. Es beherbergt neben Liebesbier-Gaststätte, Shop und Seminarrau­m auf 4500 Quadratmet­ern das »umfassends­te Brauereimu­seum der Welt«. Das zumindest besagt ein Eintrag im Guinessbuc­h der Rekorde. In der original erhaltenen Hopfenkamm­er hängen die Dolden noch zum Trocknen an den Wänden und an der Decke. Der würzige Duft der Pflanzen füllt den Raum. Erhalten geblieben sind auch das Sudhaus mit den Kesseln aus den 50er Jahren und das Maschinenh­aus mit den beiden noch funktionsf­ähigen Dampfmasch­inen aus den 30ern. Auf Führungen folgen die Besucher dem Weg des Bieres von den Rohstoffen bis zur Abfüllung.

Wer noch mehr wissen und probieren will, meldet sich zu einem Food-Pairing an. Unter Anleitung probieren die Teilnehmer verschiede­ne Biere in ungewöhnli­chen Kombinatio­nen mit Lebensmitt­eln, zum Beispiel Pralinen und Schokolade. In der ersten Runde schenkt ein Mitarbeite­r den Gästen ein Glas »Jeff’s Bavarian Ale« ein: »Ein Weißbier-Bock als moderne Weißbier-Interpreta­tion«, verkündet der Seminarlei­ter und empfiehlt, erst mal einen Schluck davon zu probieren. Anschließe­nd beiße man in die mit Passionsfr­uchtgelee gefüllte Praline namens 1001 Nacht der Confiserie Strorath und begieße den Bissen mit einem weiteren Schluck. Schade um die fantastisc­he Praline, denkt man zunächst. Doch die Kombinatio­n schmeckt ungewöhnli­ch, aber erstaunlic­h lecker. Später gibt es ein malzlastig­es 16-prozentige­s Starkbier zu weißer Schokolade und andere ungewöhnli­che Kreationen.

Zum Feierabend trinkt Biersommel­ier Michael König wie die Münchner dann doch am liebsten »ein ganz normales Helles«.

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Fotos: Robert B. Fishman Die Brauereiwi­rtschaft »Liebesbier« ist ein beliebter Treffpunkt für Freunde des Gerstensaf­tes.
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Bier-Sommelier Michael König

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