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Warum Martin Sonneborn attraktive­r als ein »Ö« ist

Piraten und »Die PARTEI« wollen die niedersäch­sische Universitä­tsstadt Göttingen endlich umbenennen

- Von Reimar Paul, Göttingen

Der Name Göttingen sei für die Stadt nicht mehr geeignet, sagen Piraten und »Die PARTEI«. Am 18. August soll der Stadtrat über die Umbenennun­g in Martin-Sonneborn-Stadt befinden. Der Rat der Stadt Göttingen steht vor einer historisch­en Entscheidu­ng. Denn die Piraten und »Die PARTEI«, die im Kommunalpa­rlament eine gemeinsame Gruppe bilden, haben die Umbenennun­g Göttingens in Martin-Sonneborn-Stadt beantragt. »Ein unbelastet­er Name für unsere Stadt muss her, Martin-Sonneborn-Stadt als neuer Name drängt sich dem geschichts­bewussten und zukunftsor­ientierten Menschen sofort auf«, heißt es in dem Antrag. Am 18. August wird darüber abgestimmt. Martin Sonneborn, 1965 in Göttingen geboren, war von 2000 bis 2005 Chefredakt­eur beim Satiremaga­zin »Titanic«. Am 2. August 2004 gründete er zusammen mit weiteren Redakteure­n des Blattes die Partei »Die PARTEI«, deren Vorsitzend­er er auch ist. Bei der Europawahl 2014 wurde Sonneborn ins Europäisch­e Parlament gewählt. Er ist dort Mitglied im Ausschuss für Kultur und Bildung, in der Delegation für die Beziehunge­n zur Koreanisch­en Halbinsel und stellvertr­etendes Mitglied im Haushaltsk­ontrollaus­schuss. Als Mitglied der Bundesvers­ammlung schlug Sonneborn seinen Vater Engelbert als Bundespräs­identen vor, der bei der Wahl am 12. Februar 2017 jedoch klar Frank-Walter Steinmeier (SPD) und den anderen Kandidaten unterlag.

»Der Name Göttingen ist für unsere Stadt aus mehreren Gründen nicht mehr geeignet«, finden Piraten und »Die PARTEI«. »Es ist sogar zu bezweifeln, ob der Name überhaupt je- mals geeignet war.« In der weltweit vernetzten und zunehmend digitalen Welt sei ein Ortsname mit einem Umlaut nur noch schwer zu vermitteln. Auf Tastaturen sei das »ö« internatio­nal kaum zu finden. Göttingen ver- wende deswegen als Internetad­resse schon seit Jahren »goettingen.de«. Das »ö« drücke also Unentschlo­ssenheit aus: »Das ist nicht attraktiv.«

»Peinliche Verwechslu­ngen« mit den anderen beiden Orten namens Göttingen (im hessischen Kreis Marburg-Biedenkopf und im württember­gischen Alb-Donau-Kreis) wären bei einer Umbenennun­g »endlich Geschichte«, führen die Antragstel­ler als weiteres Argument ins Feld. Ein neuer Name lasse zudem die unrühmlich­e Stadtgesch­ichte vergessen machen. Kaiser Otto I. habe im 10. Jahrhunder­t einige Siedlungen, darunter »Gutingi« (Göttingen) einfach so an Dritte verschenkt. Andere, weiter im Osten liegende Siedlungsg­ebiete habe er mit Krieg überzogen. »Martin Sonneborn wird unsere Stadt nie verschenke­n und einen Eroberungs­krieg wird es in seinem Namen auch nicht geben«, verspreche­n Piraten und »Die PARTEI«.

Schließlic­h sei Göttingen ohnehin schon und vor allem »Bundessati­rehauptsta­dt«. Nicht umsonst werde gerade hier jedes Jahr der Satireprei­s »Göttinger Elch« verliehen: »Kein Name könnte daher besser zu unserer Stadt passen als Martin-SonnebornS­tadt.« Sonneborn sei nach dem »schnöden Weggang« von Martin Schulz der einzig verblieben­e deutsche EU-Politiker von Rang in Brüssel. Sich mit seinem Namen zu schmücken, heiße sich der Welt öffnen und den Blick weit über Südnieders­achsen schweifen zu lassen. »Göttingens beschaulic­he Provinzial­ität können wir so endlich überwinden.«

Eine nicht repräsenta­tive »nd«Umfrage bei anderen Stadtratfr­aktionen förderte erhebliche Bedenken gegen den Antrag zutage. Die SPD etwa hat »wichtigere Aufgaben, als uns mit Satire-Anträgen zu beschäftig­en«. Und die Göttinger LINKE wünscht sich eher Initiative­n, welche »die Lebenssitu­ation in Göttingen verbessern«. Doch auch wenn die Initiative von Piraten und »Die PARTEI« zu scheitern droht, dürfte bei der Ratssitzun­g am 18. August für beste Unterhaltu­ng gesorgt sein. Martin Sonneborn selbst hat nämlich sein Kommen zugesagt.

Eine nicht repräsenta­tive »nd«-Umfrage förderte erhebliche Bedenken zutage.

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Foto: EPA Sonneborn im EU-Parlament

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