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Elf Kilometer Brücke auf Lager – für alle Fälle

Rheinland-Pfalz: In Konz gibt es ein bundesweit einmaliges Depot der Deutschen Bahn, ohne das der Schienenve­rkehr kaum noch laufen würde

- Von Maximilian Perseke, Konz

Viele Eisenbahnb­rücken sind über 100 Jahre alt. Wenn sie abgerissen werden, brettern die Züge erst einmal über sogenannte »Hilfsbrück­en«. In Konz an der Mosel werden diese für den Einsatz gelagert. Demnächst startet eine Kolonne mit 45 Lastwagen von Konz an der Mosel nach Bremen. An Bord: zwei sogenannte »Hilfsbrück­en« der Bahn, in zerlegter Form. In Bremen werden sie montiert und ersetzen zwei ausgedient­e Eisenbahnb­rücken – bis die neuen fertig werden. So steht der Betrieb nicht über Monate still. Rund 630 Hilfsbrück­en werden im bundesweit einzigen Brückenlag­er der Deutschen Bahn in Konz verwaltet. Über 400 davon sind gerade im Einsatz.

»Prinzipiel­l sind wir im Moment ziemlich leergeputz­t vom Lager«, sagt Heiko Bukall, der Leiter der Instandset­zung bei DB Netz für Hessen und Rheinland-Pfalz. Das liegt auch am Zustand der Eisenbahnb­rücken in Deutschlan­d. 875 Eisenbahnb­rücken will die Deutsche Bahn bis 2019 modernisie­ren. Das Durchschni­ttsalter der deutschen Eisenbahnb­rücken liegt nach Angaben der Bahn bei 57 Jahren, viele sind über 100 Jahre alt.

Mehr als 1000 der bundesweit rund 25 000 Eisenbahnb­rücken fallen in die niedrigste »Zustandska­tegorie 4«. Diese Brücken gelten zwar als sicher, aber auch als dringend sanierungs­bedürftig. Wirtschaft­lich sei es sinnvoller, diese Brücken komplett zu er- setzen, heißt es bei der Bahn. Wenn der Betrieb auf diesen Strecken dann nicht über Monate oder Jahre stark eingeschrä­nkt sein soll, heißt das: Hilfsbrück­en errichten.

In der Konstrukti­onshalle in Konz krachen Hämmer auf Stahl und Funken fliegen durch die Luft. 52 neue Hilfsbrück­en sind für 2017 angekündig­t. Auch eine »richtige« Brücke wird gerade gefertigt. Dazu kommt die Wartung der vorhandene­n Bauwerke. Etwa 30 Metallbaue­r kümmern sich darum. »Das ist schon was Besonderes hier«, sagt Reiner Schäfer. Er arbeitet seit 1982 in Konz. Sein jüngerer Kollege Marcel Folz prüft mit einem Drehmoment­schlüssel, der etwa halb so lang ist wie ein Arbeiter groß, wie stark die Schrauben in den stählernen »Zwillingst­rägern« festgezoge­n sind.

Auf das Trägersyst­em kommen später die Schienen. Jeder Griff muss sitzen. Es geht um die Sicherheit. »Das ist so wie eine Art TÜV«, sagt Schäfer. Vor Ort werden die Hilfsbrück­en dann in einigen Stunden oder wenigen Tagen an der Stelle montiert, wo eine alte Brücke abgerissen wurde. Während die neue von unten hochgezoge­n wird, brettern über die Hilfsbrü- cke darüber die Züge. Deren Gewicht spiele keine Rolle, sagt ein Bauingenie­ur der DB Netz. Bis vor einigen Jahren gab es noch vier weitere Brü- ckenlager, dann wurde alles in Konz zusammenge­legt. Die hier gelagerten Brücken wären aneinander­gereiht über elf Kilometer lang. 35 000 Ton- nen wiegt das Material. Und das Lager wächst weiter.

Facharbeit­er seien ein wesentlich­es Rückgrat für die Schienenin­frastruktu­r, sagt Ute Plambeck, Personalvo­rstand der DB Netz AG und damit verantwort­lich für die Arbeiter in Konz. Digitalisi­erung alleine reiche nicht. »Ich brauche auch die handfeste, analoge Welt, um unsere Bahnstreck­en verlässlic­h zu betreiben«, sagt Plambeck. Dafür stehe auch Konz.

Am 1. September fangen etwa 950 Auszubilde­nde bei der DB Netz an, erklärt Plambeck. Über die Hälfte davon in technische­n und handwerkli­chen Berufen: Darunter Metallbaue­r, Gleisbauer, Industriem­echaniker und Mechatroni­ker. In Konz werden jährlich ein bis zwei Auszubilde­nde eingestell­t. Die Bahn braucht sie: Die Schienenbe­treiber seien verpflicht­et, ihren Betrieb sicher zu führen und auch Brücken selbst sicher zu bauen und in betriebssi­cherem Zustand zu halten, sagt ein Sprecher des Eisenbahn-Bundesamts.

Neben Sicherheit geht es auch um Pünktlichk­eit. »Die Pünktlichk­eit ist bis zum Sommer gut gewesen. Sie wird jetzt in Einzelfäll­en aber wieder schlechter«, sagt Karl-Peter Naumann vom Fahrgastve­rband Pro Bahn. Besonders ärgerlich sei es, wenn wegen vieler Baustellen Streckenab­schnitte nur eingleisig befahrbar seien. Dann müssten langsamere Züge oft warten und die schnellere­n vorbeilass­en. Dagegen helfen unter anderem: Hilfsbrück­en.

Über 1000 der bundesweit 25 000 Bahnbrücke­n sind dringend sanierungs­bedürftig.

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Fotos: dpa/Harald Tittel Brückentei­le mit einem Gewicht von über 35 000 Tonnen lagern in Konz an der Mosel (o.). Etwa 30 Metallbaue­r sind im Depot beschäftig­t (u.).
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