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Nordkorea feuert Rakete über Japan hinweg

Konflikt im Fernen Osten spitzt sich wieder zu / Trump zu Abe: »Alle Optionen auf dem Tisch«

- Von Susanne Steffen, Tokio Mit Agenturen

Zum ersten Mal hat Pjöngjang ohne Ankündigun­g eine Rakete über das japanische Festland abgeschoss­en. Die Regierung in Tokio spricht von einer »schwerwieg­enden Bedrohung«. Kurz nach sechs Uhr gingen im Norden Japans die Sirenen los. »Dies ist eine Warnung der Regierung. Raketenabs­chuss. Nordkorea hat eine Rakete abgefeuert. Suchen Sie Schutz im Keller oder in einem stabilen Gebäude«, meldeten zudem Tausende Mobiltelef­one ihren Besitzern. Das staatliche Frühwarnsy­stem J-Alert legte Dutzende Züge für eine gute halbe Stunde lahm. Zu Schaden gekommen ist niemand. 14 Minuten und 2700 Kilometer nach dem Abschuss in der Nähe der nordkorean­ischen Hauptstadt Pjöngjang stürzte die Rakete 1180 Kilometer östlich von Hokkaido in den Pazifik – außerhalb der japa- nischen Wirtschaft­szone. Wahrschein­lich habe es sich um eine ballistisc­he Mittelstre­ckenrakete gehandelt, so Verteidigu­ngsministe­r Itsunori Onodera; der Sender NHK berief sich auf Militärkre­ise und sprach von einer Rakete des neuen Typs Hwasong-12.

Erst Anfang August hatte Pjöngjang gedroht, vier solcher Raketen in Richtung der Pazifikins­el Guam abzufeuern, einem US-Außenterri­torium. Doch hatte Staatschef Kim Jong Un nach massiven Drohungen von US-Präsident Donald Trump danach auf weitere Tests verzichtet. Erst am Samstag ließ er wieder drei Kurzstreck­enraketen testen, die allesamt im Japanische­n Meer niederging­en.

Zwar aktivierte Japans Regierung das Frühwarnsy­stem, doch einen Befehl zum Abschuss habe es nicht gegeben, meldete NHK. Premier Shinzo Abe reagierte empört: »Das Überfliege­n unseres Territoriu­ms ist eine noch nie da- gewesene, ernste Bedrohung.« In einem Telefonges­präch mit Abe versichert­e Trump dem Verbündete­n seine hundertpro­zentige Unterstütz­ung. »Alle Optionen sind auf dem Tisch.«

Südkorea reagierte mit einer Demonstrat­ion von Stärke. Nur wenige Stunden nach dem Raketensta­rt veröffentl­ichte die südkoreani­sche Behörde für Rüstungsen­twicklung bislang geheim gehaltene Bilder ihrer jüngsten Raketentes­ts aus der vergangene­n Woche, auf denen zu sehen ist, wie die Raketen akkurat ihre Ziele an Land und auf dem Wasser zerstörten. »Unser Militär verfügt über Raketen mit höchster Präzision und der Fähigkeit, jeden Ort in Nordkorea zu treffen, falls dies nötig sein sollte.«

Beobachter gehen davon aus, dass Kim angesichts der anstehende­n nationalen Feiertage eine weitere Eskalation plane. Seouls Geheimdien­st spricht davon, dass die Vorbereitu­ngen für ei- nen neuen Atomtest Nordkoreas abgeschlos­sen seien. Pjöngjang gibt sich zutiefst verärgert über das laufende amerikanis­ch-südkoreani­sche Militärman­över, das als Übung für eine Invasion des Nordens interpreti­ert wird. Wie Moskau kritisiert­e erneut auch China die Manöver. Durch den anhaltende­n militärisc­hen Druck sei ein Teufelskre­is entstanden, der durchbroch­en werden müsse.

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