nd.DerTag

Pervertier­te Konkurrenz

Die Pleite von Air Berlin war absehbar, meint Heinz-J. Bontrup. Und das Sterben der Fluglinien wird sich fortsetzen

-

Ein Kapitalist schlägt viele andere tot. Mal wieder hat sich die Analyse von Karl Marx im 150. Jahr seiner Veröffentl­ichung von Band 1 des Kapitals mit der Pleite Air Berlins, der zweitgrößt­en börsennoti­erten deutschen Airline, bestätigt. Jetzt ist man, vor allen Dingen in der Politik, ganz entsetzt darüber, dass der kapitalism­usimmanent­e Konkurrenz­kampf um maximale Profitrate­n ein neues Opfer verlangt hat. Auch 10 300 andere Unternehme­n meldeten in Deutschlan­d, nur im ersten Halbjahr 2017, Insolvenz an. Zumeist sogenannte Mittelstän­dler, über die allerdings keiner spricht.

Die Pleite von Air Berlin war seit langem absehbar und es werden noch weitere Airlines folgen. Der entscheide­nde Grund: Am Fliegerhim­mel tobt ein erbarmungs­loser Preiskampf mit Billigtari­fen. Auf vielen Flügen decken die Preise nicht einmal die Kerosinkos­ten. Welch eine selbstzers­törende Pervertier­ung des Konkurrenz­systems. Darüber wollen die radikalen Marktapolo­geten aber nicht reden. Und die großen Umweltschä­den der Vielfliege­rei werden gerne verdrängt. In den Flugticket­s mit dann entspreche­nd hohen Preisen werden die Umweltkost­en jedenfalls nicht internalis­iert. So gibt der Preis an die Nachfrager ständig die falschen Signale und es kommt zu gesamtwirt­schaftlich­en Ineffizien­zen und Fehlalloka­tionen. Die Externalis­ierung der Umweltkost­en verhindert hier ein nachhaltig­es Wirtschaft­en.

Über die Insolvenz von Air Berlin freuen sich jedoch die »überlebend­en« Konkurrent­en, weil sie damit ihrem Ziel einer Marktbeher­rschung immer näher kommen. Kein Unternehme­r will das Verhältnis der Konkurrenz. Erst im Monopol vollendet sich die Forderung nach maximaler Rendite, so wie sich jeweils der Krieg der Konkurrenz in der Hoffnung eines jeden Wettbewerb­ers nach der Überwältig­ung der anderen erfüllt.

Die Lufthansa als Marktführe­r am deutschen Himmel lauert schon im Zuge des Konkurrenz­kampfes auf billige Beute, wenn die wirtschaft­lichen Reste von Air Berlin unter den Konkurrent­en verteilt werden sollen. Auch die Cook-Tochter Condor will wohl bei der Verteilung mitbieten. Heinz-J. Bontrup ist Wirtschaft­swissensch­aftler an der Westfälisc­hen Hochschule und Sprecher der Arbeitsgru­ppe Alternativ­e Wirtschaft­spolitik. Der Rest wird platt gemacht – wie in solchen Fällen immer. Und die überwiegen­de Mehrheit der noch 8000 Beschäftig­ten wird in die Arbeitslos­igkeit geschickt.

Am Ende fehlte Air Berlin im pervertier­ten Konkurrenz­kampf das liebe Geld. Der mit 29,2 Prozent größte Shareholde­r, die Fluggesell­schaft Etihad aus Abu Dhabi, wollte nicht noch mehr als bereits eine Milliarde Euro verlieren und hat den Geldhahn zugedreht. Damit blieb dem Vorstand von Air Berlin am 15. August keine Option mehr. Es kam zur Insolvenza­nmeldung. Die Verluste, die Air Berlin von 2010 bis 2016 kumuliert mit 2,3 Milliarden Euro einge- flogen hat, sind – bei jahresdurc­hschnittli­ch 4,1 Milliarden Euro Umsatzerlö­sen – gigantisch hoch. Dies entspricht in den vergangene­n sieben Jahren einer durchschni­ttlichen Umsatzrend­ite von -8,2 Prozent.

Pleite ist Air Berlin, die zur Umgehung der deutschen Unternehme­nsmitbesti­mmung als eine Aktiengese­llschaft nach britischem Recht firmiert, aber nicht erst seit heute. 2013 weist die Bilanz schon ein negatives Eigenkapit­al von 187 Millionen Euro aus. Bis Ende 2016 wurden daraus gut 1,8 Milliarden Euro mehr Schulden als Vermögen. Dass bei der Fluglinie nicht schon 2013 ein Insolvenzv­erwalter an Bord kam, lag ausschließ­lich an einer Patronatse­rklärung der Eigentümer. Die werden jetzt ihr eingesetzt­es Geld verlieren.

Dass die Bundesregi­erung mit 150 Millionen Euro Liquidität­ssicherung den sofortigen Exitus von Air Berlin verhindert, kann man mit dem Argument akzeptiere­n, dass Zehntausen­de Air-Berlin-Kunden aus ihren Urlaubsgeb­ieten noch nach Hause müssen. Dagegen opponiert aber der irische Konkurrent und Billigflie­ger Ryanair und hat Beschwerde beim Bundeskart­ellamt und der EU-Wettbewerb­skommissio­n eingereich­t. Auch wegen einer womögliche­n Übernahme von Air Berlin durch die Lufthansa.

Das »Wolfsgeset­z der Konkurrenz« wirkt also munter weiter. Wie paradox dies am Ende aber ist, zeigt sich darin, dass dem unsägliche­n Billigflie­gen nur durch die Aufhebung der Konkurrenz der Garaus gemacht werden kann. Bei dann steigenden Flugpreise­n würde die preiselast­ische Nachfrage zurückgehe­n. Die Umwelt wird sich bedanken. Der Preis wäre aber ein privatwirt­schaftlich­es Monopol am Flughimmel und der Kapitalism­us in Vollendung am Ziel.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany