nd.DerTag

Politische­s Urteil

Sebastian Bähr über drakonisch­e Strafen für G20-Demonstran­ten

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Hamburgs Bürgermeis­ter Olaf Scholz hat nach den G20-Protesten erklärt: »Meine Hoffnung ist, dass die Gewalttäte­r, die wir gefasst haben, mit sehr hohen Strafen rechnen müssen.« Das Hamburger Amtsgerich­t tat ihm nun in einem ersten Prozess den Gefallen. Ein 21-jähriger Niederländ­er wurde wegen angebliche­n Flaschenwü­rfen zu zwei Jahren und sieben Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt – weitaus mehr, als die Staatsanwa­ltschaft gefordert hatte. Ein Angriff auf Polizeibea­mte ist keine Lappalie, doch von dem Urteil geht eine nicht zu unterschät­zende Gefahr für Grundrecht­e aus.

Zum einen fällt die politische Motivation der Gerichtsen­tscheidung auf, die an die düsteren Verfahren in Sachsen gegen den Antifaschi­sten Tim H. erinnert. Stellvertr­etend für alle Randale während der Gipfeltage soll offenbar erneut an einigen Aufgegriff­enen ein Exempel zur Abschrecku­ng statuiert werden. Verhältnis­mäßigkeit oder eindeutige Beweise scheinen zum anderen für dieses Ziel zweitrangi­g. Das Einnehmen einer »Embryonalh­altung« während der Festnahme wird so zum »Widerstand« hochgejazz­t, offene Fragen zur Identität des Flaschenwe­rfers ignoriert man einfach. Das Gericht ordnet sich mit seinem Urteil freiwillig der gesellscha­ftlichen Hysterie seit »Hamburg« unter – und ebenso einer konservati­ven Wahlkampag­ne, die am rechten Rand nach Stimmen fischt.

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