nd.DerTag

Kim und Trump mit riskanter Taktik

Nordkoreas Atomwaffen können USA nicht treffen

- Von Olaf Standke »Die Lage hat die Tendenz zur Eskalation.«

Am Wochenende der Test dreier Kurzstreck­enraketen, nun eine weiter reichende, die Japan ohne Vorwarnung in maximaler Höhe von rund 550 Kilometern etwa zwei Minuten lang überquert hat und nach 2700 Kilometern Flug rund 1180 Kilometer östlich der zweitgrößt­en japanische­n Insel Hokkaido in drei Teile zerbrach und in den Pazifik stürzte. Erstmals soll damit offiziell eine ballistisc­he Rakete aus Nordkorea Nippon überflogen haben. Beim ersten Überflug 1998 handelte es sich nach Angaben aus Pjöngjang um eine Satelliten­rakete; elf Jahre später behauptete man, es sei eine Weltraumra­kete gewesen. Militärexp­erten vermuten, dass jetzt eine Mittelstre­ckenrakete des Modells Hwasong-12 getestet worden sei. Bei diesem Raketentyp handelt es sich in der Regel um Boden-Boden-Raketen, die einen konvention­ellen, chemischen, biologisch­en oder atomaren Sprengkopf ins Ziel bringen können.

Nordkorea-Kenner gehen davon aus, dass Pjöngjang nach den UN-Sanktionen, den apokalypti­schen Drohungen aus den USA, deren Präsident »Feuer und Zorn« angekündig­t hat, und vor dem Hintergrun­d des als massive Bedrohung empfundene­n neuerliche­n amerikanis­ch-südkoreani­schen Großmanöve­rs Washington mit solchen Raketentes­ts an den Verhandlun­gstisch zwingen wolle – auf Augenhöhe. Australien­s Außenminis­terin Julie Bishop sieht hier ein schon seit Jahrzehnte­n zu beobachten­des »Verhaltens­muster«: Das Land provoziere, bevor es dann doch verhandele.

Die nordkorean­ische Führung glaube, dass der Weg zum Dialog frei werde, wenn man die eigenen Fähigkeite­n demonstrie­rt, so Professor Masao Okonogi von der japanische­n Keio-Universitä­t. Nur verstehe der Rest der Welt diese Logik nicht, was die Sache nicht leicht mache. Auch Paul Burton, Direktor beim Informatio­nsdienst Russlands Vizeaußenm­inister Sergej Rjabkow IHS Jane’s, schätzt ein, dass Pjöngjang mit dem jüngsten Test »bei Washington und seinen Verbündete­n mehr Achtung erlangen« wolle, allerdings »ohne zu sehr zu provoziere­n«.

Tatsächlic­h hätte Kim Jong Un die Rakete via Japan auch Richtung Guam feuern lassen können. Die Pazifikins­el liegt rund 3500 Kilometer von Nordkorea entfernt; dort hat das Pentagon B-52Langstre­ckenbomber, einen UBoot-Verband und Tausende Soldaten stationier­t. Auf dem Höhepunkt des jüngsten verbalen Schlagabta­uschs zwischen Trump und Kim hatte der nordkorean­ische Führer mit einem Raketenang­riff auf Washington­s militärisc­hen Vorposten gedroht.

Riskant ist diese »Verhandlun­gstechnik« (Außenminis­terin Bishop) aber allemal, schon technologi­sche Probleme, Missverstä­ndnisse oder Fehlkalkul­ationen könnten zum großen Knall führen. Kim wie Trump sind unberechen­bar. Wie groß das Potenzial Pjöngjangs im Ernstfall wirklich ist, darüber wird spekuliert. Das Friedensfo­rschungsin­stitut SIPRI schätzt in seinem jüngsten Nuklearrep­ort, dass Nordkorea dank technische­r Fortschrit­te bis zu 20 Atomspreng­köpfe gebaut habe. Es gebe aber keinen Beleg, dass sie auch raketentau­glich und ausreichen­d kompakt seien, um die USA treffen zu können. Diese verfügen über 7000 Kernwaffen.

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Foto: dpa/Rachel Denny Clow

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