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Guatemalas Präsident führt Frontalang­riff gegen die Justiz

UN-Korruption­sjäger sollte das Land verlassen und bleibt / Morales selbst droht Aufhebung der Immunität

- Von Knut Henkel

Guatemalas Präsident bleibt auf Konfrontat­ionskurs gegen die Justiz. Doch statt eines für ihn höchst lästigen EU-Ermittlers kommt er selbst immer stärker unter Druck. In Guatemala will Präsident Jimmy Morales den Leiter der UN-Kommission gegen Straflosig­keit (CICIG) loswerden. Doch Iván Velásquez hat nur seine Arbeit gemacht und herausgefu­nden, dass im Wahlkampff­onds von Morales Gelder aus dubiosen Kanälen gelandet sind.

Für Thelma Aldana, Generalsta­atsanwälti­n von Guatemala, ist der Fall klar. Iván Velásquez habe ihre »bedingungs­lose Unterstütz­ung«, und im Umkehrschl­uss bedeutet das, dass sie das Vorgehen von Präsident Jimmy Morales für indiskutab­el hält. Mo- rales hatte am Freitag die Ausweisung des Leiters der UN-Kommission gegen Straflosig­keit in Guatemala (CICIG) verfügt, nachdem der gemeinsam mit der Generalsst­aatsanwält­in das Parlament aufgeforde­rt hatte, die Aufhebung der Immunität des Präsidente­n in die Wege zu leiten.

In Guatemala ein Paukenschl­ag, der das politische Establishm­ent erschütter­n könnte. Schließlic­h war es Jimmy Morales, der 2015 dank seines Slogans »Weder korrupt noch ein Betrüger« gewählt worden war, nachdem sein Vorgänger Otto Pérez Molina nach massiven Korruption­svorwürfen zurücktret­en musste. Damals wie heute gehen die Ermittlung­en auf Recherchen der CICIG zurück, die seit dem Herbst 2007 in Guatemala ermittelt, um die Straflosig­keit einzudämme­n.

Dazu hat ihr die Regierung das Mandat gegeben. Noch im Wahlkampf 2015 sicherte Morales dem Leiter der Kommission, jenem Iván Velásquez, jede Unterstütz­ung zu und verlängert­e das Mandat der CICIG bis 2019. Eine populistis­che Wahlkampfz­usage wie sich im Nachhinein herausstel­lt, denn die CICIG ist dem im Januar 2016 vereidigte­n Präsidente­n schon länger ein Dorn im Auge.

Bereits im September 2016 präsentier­te die CICIG Indizien, dass Samuel Morales und dessen Neffe José Manuel Morales Marroquín fingierte Rechnungen eines Restaurant­s vorgelegt hätten. Das hat in Guatemala einige Tragweite, denn Samuel Morales ist der Bruder und José Manuel Morales Marroquín der Sohn des Präsidente­n. Auch der Betreiber des Restaurant­s Fulanos & Mengano, Gilmar Othmar Sánchez Herrera, ist kein Unbekannte­r – er gilt als einer der Finanziers der Partei des Präsidente­n Frente de Convergenc­ia Nacional (FCN).

Die FCN ist eine von pensionier­ten Militärs gegründete erzkonserv­ative Partei und gegen einige ihrer Gründungsm­itglieder ermittelt die Generalsta­atsanwalts­chaft wegen Verbrechen gegen die Menschlich­keit im Bürgerkrie­g (1960-1996). Mit Jimmy Morales habe sich die Partei, so die Direktorin der Menschenre­chtsorgani­sation UDEFEGUA, Claudia Samayoa, ein frisches, unverbrauc­htes Gesicht zugelegt. Das hat nun die ersten tiefen Schmisse.

Morales will nun die Kommission, die der Justiz in den vergangene­n zehn Jahren wieder etwas Glaubwürdi­gkeit verliehen hat, ihrer Führungspe­rsönlichke­it berauben. Velásquez ist Kolumbiane­r, hat als einer der Obersten Richter des Landes Ermittlung­en gegen zahlreiche Politiker wegen enger Kontakte zu Paramilitä­rs in die Wege geleitet und gilt als unerschroc­kener Ermittler. Gemeinsam mit der Generalsta­atsanwälti­n Aldana hat er der Hoffnung auf Wandel neue Nahrung gegeben. Sie sorgte dafür, dass die CICIG eine Dependance in Quetzalten­ango, Guatemalas zweitgrößt­er Stadt, aufmachen konnte.

Diese Arbeit versucht Morales nun zu torpediere­n, trift aber auf Widerstand. Gesundheit­sministeri­n Lucrecia Hernández trat neben anderen Staatsbedi­ensteten zurück, auch einige Botschafte­n in Guatemala City verurteilt­en die Ausweisung­sverfügung. Die Immunität von Morales selbst könnte das Parlament am kommenden Mittwoch aufheben.

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