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Weil friert Türkei-Kontakte ein

Niedersach­sens Regierungs­chef über massive Unterdrück­ung der Meinungsfr­eiheit besorgt

- Von Hagen Jung

Das gespannte deutsch-türkische Verhältnis belastet auch Kontakte auf Landeseben­e. So hat jetzt Niedersach­sens Regierung die angestrebt­e Partnersch­aft zur Provinz Konya auf Eis gelegt. Eier, Geflügel, Fleisch Weizen und Zucker: In der Produktion dieser Agrargüter liege die Provinz Konya ganz vorn in der Türkei, ähnlich wie Niedersach­sen in der Bundesrepu­blik. So hatte die Staatskanz­lei in Hannover im Mai 2014 Gemeinsamk­eiten mit jener Region beschriebe­n, die Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) bei seinem sechstägig­en Besuch am Bosporus besonders am Herzen lag. Sogar eine Partnersch­aft stand auf dem Zettel, damals.

Doch solch sonnige Pläne sind mittlerwei­le von dunklen Wolken verdrängt worden, die nicht nur Ankara und Berlin, sondern auch Hannover und Konya überschatt­en. »Aktuell ist zwischen dem Land Niedersach­sen und der Region Konya eine Zusammenar­beit nicht möglich«, erklärte Weil jetzt gegenüber der »Neuen Osnabrücke­r Zeitung«. Die derzeitige politische Entwicklun­g gebe wenig Anlass zur Hoffnung, dass sich daran kurzfristi­g etwas ändern könne.

Als erster niedersäch­sischer Regierungs­chef war Weil vor drei Jahren in die Türkei gereist, unter anderem in die zentral-anatolisch­e Provinz Konya. Deren Gouverneur Muammer Erol und der Gast aus Hannover vereinbart­en, vor allem das Zusammenwi­rken in puncto Wirtschaft, Wissenscha­ft und Technik, Bildung und Sport zu fördern.

Mit Kritik an der türkischen Regierung hielt sich Weil während jener Visite tunlichst zurück. Anders als zehn Tage zuvor der damalige Bun- despräside­nt Joachim Gauck. Er hatte in Istanbul im Verlauf eines Vortrags Präsident Erdogans autoritäre­n Führungsst­il gerügt, der von vielen Menschen in der Türkei als Gefährdung der Demokratie gewertet werde. Erdogan reagierte giftig auf die Kritik.

Im Gegensatz zu Gauck klang Weil vor drei Jahren noch sehr dezent: »Die Demokratie brauche Diskussion­en wie der Fisch das Wasser«, sag- te er während einer Rede, ebenfalls in Istanbul. So etwas tut Erdogan nicht weh, und so verlief das Gespräch, das der Ministerpr­äsident kurz darauf mit dem Präsidente­n führte, recht moderat. Erdogan, so berichtete der Niedersach­se, habe betont, dass ihm »sehr an einer guten deutsch-türkischen Beziehung gelegen ist«.

Parallel zum Niedergang der Demokratie nach dem Militärput­sch vom Juli 2016 wurden Weils Worte in Richtung Erdogan deutlicher. Auf »energische­n Protest stoßen« müssten die »Säuberungs­wellen«, die es

Neben der Partnersch­aft zu Konya hat die Landesregi­erung auch die Finanzmitt­el, die zur Pflege der Kontakte mit der Provinz Konya vorgesehen waren, eingefrore­n.

im Anschluss an den Putschvers­uch gab, forderte der Ministerpr­äsident im August 2016. Unmut beim Regierungs­chef erregte dann im Februar 2017 der Verdacht, im Auftrag der türkischen Regierung habe ein Imam aus Braunschwe­ig Anhänger der Erdogan-kritischen Gülen-Bewegung bespitzelt.

Und nun das Einfrieren einer Partnersch­aft zu Konya. Im Zusammenha­ng mit diesem Schritt bedauerte Weil: Die massive Unterdrück­ung von Meinungsfr­eiheit und die Inhaftieru­ng von Andersdenk­enden bereite ihm große Sorge. Finanzmitt­el, die zur Pflege der Kontakte mit jener Provinz vorgesehen waren, hat die Landesregi­erung in Hannover ebenfalls eingefrore­n.

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Foto: AFP/Adem Altan Fahne und Festschmuc­k in Konya

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