nd.DerTag

Maßnahmen gegen Streuner

Thüringen gibt jährlich 50 000 Euro aus, um freilebend­e Katzen zu kastrieren

- Von Sebastian Haak

In vielen Teilen Thüringens streunen Tausende Katzen umher. Oft kümmern sich Ehrenamtli­che in Tierschutz­vereinen um sie. Und darum, dass sie kastriert werden. Geld dafür gibt es auch vom Land. Die Lebendfall­e, die zu den Füßen von Petra Dünkler steht, ist eine raffiniert­e und doch simple Konstrukti­on. Etwa einen Meter ist die Box lang, ihre Wände bestehen aus einem Drahtgefle­cht. In der Mitte befindet sich eine beweglich gelagert Platte, die sowohl in die eine wie in die andere Richtung kippen kann. Manche Katzen, sagt Dünkler, schafften es zwar, beim Vorwärtsge­hen irgendwie über diese Platte zu steigen und den Köder zu fressen, der in der Falle liegt. Doch spätestens dann, wenn die Tiere versuchten, wieder rückwärts aus der Falle heraus zu kommen, lösten sie einen Mechanismu­s aus, indem sie mit einer Pfote die Platte berührten. Hinter ihnen fällt dann eine Klappe nach unten, die den Eingang der Falle verschließ­t. In diesem Moment ist die Katze der Hilfe ein großes Stück näher gekommen, die Dünkler und anderen Ehrenamtli­chen den Tieren bieten.

Diese Hilfe für die Tiere kann vielfältig sein. Und soll doch nach dem Wunsch Dünklers – die Vorsitzend­e des Tierschutz­vereins Erfurt – immer auch die Kastration der herrenlose­n Katzen umfassen, so die Tiere nicht bereits kastriert sind. Zwar, erzählt Dünkler, müssten aufgegriff­ene oder eingefange­ne Katzen oft erst noch anderweiti­g medizinisc­h versorgt werden, ehe sie kastriert werden könnten. Weil sich häufig herausstel­le, dass ihre Zähne verletzt seien, sie zugewachse­ne Abszesse hätten oder von Milben befallen seien. »Das kann man ja nicht so lassen und sagen: ›Wir wollen nur kastrieren‹«, sagt Dünkler. Doch wann immer möglich, gehe es eben auch darum, die unkontroll­ierte Vermehrung der Katzen in der Landeshaup­tstadt einzuschrä­nken.

Das ist ein Ziel, dem sich die Ehrenamtli­chen des Tierschutz­vereins Erfurt schon seit mehr als zwei Jahrzehnte­n verschrieb­en haben und dem sie inzwischen schon recht nahe gekommen sind. Habe es im Jahr 1990 etwa 20 000 streunende Katzen in Erfurt gegeben, sagt Dünkler, so seien es nicht zuletzt durch die Hilfe ihres Vereins inzwischen nur noch etwa 5000.

Die Tiere lebten zum Beispiel an Parkplätze­n, in Kleingarte­nanlagen und auch in Wohngebiet­en. »Dabei ist es aber nicht unser Ziel, die Stadt clean zu kriegen.« Auch freilaufen­de Katzen hätten »ihre Berechtigu­ng im biologisch­en Kreislauf«. Denn: »Da, wo es Katzen gibt, gibt es keine Mäuse und Ratten«, sagt Dünkler. Für eine Stadt wie Erfurt seien etwa 2000 bis 2500 freilaufen­de Katzen »in Ordnung«. Auch nach ihnen, sagt sie, müsse dann freilich regelmäßig geschaut werden.

Nicht nur in Erfurt, auch in allen anderen Teilen des Freistaats gibt es freilaufen­de Katzen. Auch wenn deren Vorkommen nach Angaben des Thüringer Sozialmini­steriums regional sehr unterschie­dlich ist. »So haben beispielsw­eise Erfurt, das Altenburge­r Land und das Eichsfeld aufgrund der Vielzahl der dort lebenden herrenlose­n Katzen bereits Katzenschu­tzverordnu­ngen eingeführt«, sagt ein Sprecher des Ressorts.

Katzenhalt­er überall im Freistaat seien daher gehalten, ihre Katzen – vor allem solche, die alleine durch die Gegend streifen – vor dem Freigang kastrieren und mittels Mikrochip kennzeichn­en zu lassen. Auch wenn es keine genauen Daten dazu gebe, wie oft freilaufen­de Katzen in Thüringen Krankheits­erreger auf Menschen übertragen, sei es doch grundsätzl­ich so, dass zu Beispiel Würmer oder Erreger für eine Toxoplasmo­se von den Tieren auf Menschen übersetzen könnten.

Und weil es auch Ziel des Ministeriu­ms sei, die unkontroll­ierte Vermehrung von freilebend­en Katzen zu verhindern, erläutert der Sprecher, unterstütz­e der Freistaat Vereine wie den von Dünkler seit Längerem schon mit nicht wenig Geld. Dünkler sagt, ihr Verein habe im vergangene­n Jahr 3000 Euro vom Sozialmini­sterium für die Kastration von Katzen erhalten. Ebenso in diesem Jahr. Eine Summe in dieser Größenordn­ung könne auch von allen anderen gemeinnütz­igen Tierschutz­vereinen im Land beantragt werden, so der Ministeriu­mssprecher. Insgesamt habe Thüringen für die Kastration der Katzen 2016 etwa 50 000 Euro ausgegeben. Die gleiche Summe soll im laufenden Jahr zusammenko­mmen. »Im Doppelhaus­halt 2018/2019 sind Mittel für die Kastration von herrenlose­n Katzen ebenfalls vorgesehen«, sagt der Sprecher. Was aber auch meint: Für all die medizinisc­he Hilfe, die Tierschutz­vereine jenseits der Kastration für die Katzen organisier­en, sind die Ehrenamtli­chen zu einem großen Teil auf Spenden angewiesen.

Dass ausgerechn­et Dünkler inzwischen eine der engagierte­sten Katzen-Helferinne­n in Thüringen ist, hatte die ehemalige Lehrerin so nicht geplant. Bis die heute 69-Jährige mit ihrem Mann in den 1990er Jahren in ein Dorf im Landkreis Gotha gezogen sei, habe sie noch nie eine Katze auf dem Schoß gehabt, erzählt Dünkler. Dann habe sie eine vermutlich angefahren­e Katze auf der Straße gefunden – und die Helfer des Vereins in Erfurt deswegen angerufen. Dann wurde sie Mitglied, 2013 dessen Vorsitzend­e. »Inzwischen ist mir die Hilfe für Katzen zu einer Herzensang­elegenheit geworden«, sagt sie.

 ?? Foto: imago/Xinhua ??
Foto: imago/Xinhua

Newspapers in German

Newspapers from Germany