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Letzter Akt im Krimi?

Bliss und Böttcher kontra ZDF – alte Gepflogenh­eiten in der Glamourbra­nche auf dem Prüfstand

- Von Katharina Dockhorn

Es stehen ihm spannende Tage bevor. Mitte September feiert sein Spielfilm »Weiber« im Berliner Kino Babylon Premiere. Und am heutigen Mittwoch steht der Schauspiel­er Pierre Sanoussi-Bliss vor Gericht und klagt gegen seinen einstigen Arbeitgebe­r, die Neue Münchner Fernsehpro­duktion GmbH, vor dem Bundesarbe­itsgericht. 18 Jahre lang spielte der mittlerwei­le 55-Jährige in der von der Firma produziert­en ZDF-Serie »Der Alte« mit, acht bis zwölf Folgen wurden pro Jahr gedreht.

Im September 2014 wurde Bliss und seinem Kollegen Markus Böttcher, der 26 Jahre bei der Serie war und in 280 Folgen spielte, mitgeteilt, dass sie nur noch sechs Wochen Drehzeit haben. Die Rollen würden 2015 mit jüngeren Kollegen besetzt. Beide klagten vor dem Münchner Arbeitsger­icht gegen die Umbesetzun­g, die Richter wiesen ihr Begehren ab. Nun legen sie ihren Fall der nächsten Instanz in Erfurt vor. Das Urteil könnte schon heute fallen.

Pierre Sanoussi-Bliss will sich nicht in die Rolle einklagen. Als Profi weiß er, dass Engagement­s nur auf Zeit vergeben werden. Verträge von Schauspiel­ern müssen nicht gekündigt werden, sie laufen aus. »Wir klagen, damit wir rückgehend durchversi­chert werden«, betont er gegenüber dwdl.de. Damit stellen er und sein Kollege die Gepflogenh­eiten der Film- und Fernsehbra­nche und die Sozialgese­tzgebung für diese Berufsgrup­pen auf den Prüfstand.

Die beiden Schauspiel­er hatten offenbar viele Einzelvert­räge abgeschlos­sen, die zeitlich aufeinande­rfolgten und ihnen kaum Spielraum für die Annahme weiterer Rollen boten. Die Richter müssen nun entscheide­n, ob sich aus den Verträgen eine Art Dauerbesch­äftigung und eine gewisse wirtschaft­liche Abhängig- keit ableiten lässt. Das hätte Konsequenz­en – vom Kündigungs­schutz bis zur Schließung der Beitragslü­cken in den Sozialvers­icherungen.

Schauspiel­er sind selbststän­dig. Sobald sie einen Fuß an den Set setzen, ändert sich ihr Status. Sie sind weisungsge­bunden und angestellt. Sie zahlen ebenso wie ihre Arbeitgebe­r Sozialvers­icherungsb­eiträge. Bis- lang ist es den Regierunge­n der Bundesrepu­blik nicht gelungen, für diesen Sonderstat­us Rahmenbedi­ngungen zu schaffen, die es Film- und Fernsehsch­affenden ermögliche­n, ausreichen­d Rentenvers­icherungsa­nwartschaf­ten zu erwerben. So lebt selbst der einstige populäre »Sesamstraß­en«-Star Horst Janson von 427 Euro Rente. wenn sie mehr als die Hälfte dieser Summe verdient haben. Sie erhalten auch keinen Cent, wenn sie nicht genug Drehtage angesammel­t haben oder nur bei einem Arbeitgebe­r beschäftig­t waren.

Die Ablehnung bedeutet, dass Lücken in der Rentenvers­icherung entstehen. Zusätzlich privat vorsorgen können nur jene, die sehr gut im Geschäft sind. Wer nur sporadisch eingesetzt wird, kann sich oft gerade mal so über Wasser halten.

Der Schauspiel­erverband freut sich daher über dies enorme Medienaufm­erksamkeit für den Prozess in Erfurt. Auch wenn Bliss und Böttcher verlieren sollten, haben sie auf die soziale Misere in der Glamourbra­nche aufmerksam gemacht.

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Foto: dpa/Daniel Bockwoldt Als altes Eisen ausgedient? Pierre Sanoussi-Bliss wehrt sich.

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