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Wenn die Wirtschaft­skraft gering ist

Die Schuldenbr­emse wird einigen Bundesländ­ern vor allem im Osten ab 2020 ernsthafte Probleme bereiten

- Von Hermannus Pfeiffer

Augen zu und durch: Mit dieser Strategie ignorieren die meisten Bundesländ­er das, was nach der Bundestags­wahl auf sie zukommt. In zwei Jahren greift das Verbot, neue Schulden zu machen. In Wahljahren legen die Länder weniger Geld für die Zukunft zurück, beispielsw­eise in Pensionsfo­nds. Statt für Staatsbedi­enstete vorzusorge­n, verteilen Landesregi­erungen lieber Wohltaten an die Wähler. Dieses Ergebnis einer Studie des Münchner IfoInstitu­ts zeigt zumindest, dass es mit der Finanzkraf­t vieler Bundesländ­er tatsächlic­h nicht allzu weit her ist.

Eigentlich verpflicht­et das Grundgeset­z zum bundesstaa­tlichen Finanzausg­leich zwischen Bund und Ländern, zwischen armen und reichen Ländern. Doch das ursprüngli­che Ziel, die Angleichun­g der Finanzkraf­t, wird offensicht­lich seit Jahr- zehnten verfehlt. So ist die Finanzkraf­t pro Einwohner in Bayern mittlerwei­le doppelt so hoch wie die in Sachsen-Anhalt. Im Ergebnis steigen die Summen beim bundesstaa­tlichen Finanzausg­leich. Die Länderexpe­rten der Norddeutsc­hen Landesbank (NordLB) sehen trotz Reformen »die Gefahr einer zunehmende­n Unwucht zugunsten der ohnehin finanzstar­ken Länder«.

Aktuell ist die allgemeine Finanzlage allerdings so günstig wie seit den 1990er Jahren nicht mehr. Der vergleichs­weise kräftige Wirtschaft­saufschwun­g und die hohe Zahl der Beschäftig­ten haben dem deutschen Staat im ersten Halbjahr einen abermalige­n Rekordüber­schuss beschert. Bund, Länder, Kommunen und Sozialkass­en nahmen 18,3 Milliarden Euro mehr ein als sie ausgaben. Jedoch ist dies nur eine Momentaufn­ahme. Angesichts staatliche­r Ausgaben von 705,4 Milliarden Euro im selben Zeitraum ist der Überschuss gering und bereits eine kleine konjunktur­elle Delle könnte aus dem Plus ein Minus machen.

Haushaltsp­olitiker blicken daher sorgenvoll in die Zukunft: Schon in zwei Jahren kommt die umstritten­e Schuldenbr­emse. Der 2009 im Zuge von Finanzkris­e und Bankenrett­ung neu gefasste Artikel 109 des Grundgeset­zes schreibt dann vor: »Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzl­ich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleic­hen.«

Überwacht wird die Schuldenbr­emse vom Stabilität­srat, einem gemeinsame­n Gremium des Bundesfina­nzminister­iums und der für Finanzen zuständige­n Ländermini­ster. Zwar gibt es Ausnahmere­gelungen etwa bei Naturkatas­trophen, doch an sich müssen alle Bundesländ­er ab 2020 ausgeglich­ene Haushalte vorweisen.

Für die Länder stellt dies »eine große Herausford­erung« dar, schreibt die NordLB in ihrer 130-seitigen Studie »Deutsche Bundesländ­er 2017«. Zu häufig wurden in der Vergangenh­eit Defizite ausgewiese­n, zu deren Finanzieru­ng die Kreditaufn­ahme unvermeidb­ar schien.

Zwischen den Ländern bestehen zudem deutliche Unterschie­de bei Wirtschaft­skraft, Haushaltsl­age und Verschuldu­ngssituati­on. Saarland und Sachsen wiesen 2016 das größte Defizit je Einwohner auf. Während allerdings das Saarland im vergangene­n Jahr weitere Fortschrit­te beim Defizitabb­au machte, war Sachsen das einzige Bundesland, in dem es zu einer Erhöhung des Defizits je Einwohner kam. Den höchsten Überschuss haben Mecklenbur­g-Vorpommern, Berlin sowie Thüringen erwirtscha­ftet. Für die Regierung in Schwerin war es bereits das sechste Jahr mit einem Plus in der Landeskass­e.

Trotz Schuldenbr­emse werden die Altlasten bleiben: Die Gesamtschu­lden der Bundesländ­er betragen derzeit 558 Milliarden Euro. Da die Verschuldu­ng über Jahrzehnte anstieg, liegt der Westen in absoluten Zahlen vor dem Osten. Entspreche­nd liegen die Schulden je Einwohner in ostdeutsch­en Ländern noch unter dem Durchschni­tt.

Doch dieser positive Eindruck trügt. Legt man die Wirtschaft­sleistung zugrunde – aus der ja letztlich die Schulden getilgt werden müssten –, schneidet der Osten schlechter ab. Mit Ausnahme von Sachsen liegen alle neuen Länder mit ihrer Schuldenqu­ote über der Marke von rund 20 Prozent des BIP – und zwar teilweise deutlich.

Am Beispiel Brandenbur­g zeigen sich trotz einer Haushaltsp­olitik, die von den Experten der NordLB als solide gelobt wird, alle Risiken für Ostdeutsch­land: Die Wirtschaft­skraft bleibt hinter anderen zurück; die Abhängigke­it vom Finanzausg­leich ist hoch und die Arbeitslos­igkeit überdurchs­chnittlich. Hinzu kommen die schwierige demografis­che Entwicklun­g sowie Länderspez­ifisches wie der Flughafen Berlin-Brandenbur­g.

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